Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Zweite Abteilung. (3_2)

Die Lehrer. (S. 117.) 321 
jahr! sollen die Kandidaten mit der Erziehungs= und Unterrichtslehre in Anwendung 
auf höhere Schulen und mit der Methodik der einzelnen Unterrichtsgegenstände vertraut 
gemacht sowie zur praktischen Tätigkeit als Lehrer und Erzieher angeleitet werden. Das 
Probejahr dient vorzugsweise der selbständigen Bewährung des im Seminarjahre er- 
worbenen Lehrgeschicks; es wird in der Regel an solchen höheren Lehranstalten abgelegt, 
welche nicht bereits durch die Aufgaben der Seminarausbildung in Anspruch genommen 
sind. Die Kandidaten sind unter genauer Beachtung ihrer Lehrbefähigung sofort mit 
größeren, zusammenhängenden Lehraufgaben zu betrauen und mit wöchentlich 8 bis 
10 Stunden zur Unterrichtserteilung heranzuziehen. Ausnahmsweise kann ein noch im 
Probejahr stehender Kandidat vom Provinzialschulkollegium als wissenschaftlicher Hilfs- 
lehrer verwendet werden; er erhält alsdann Remuneration und Stimmrecht in der Lehrer- 
konferenz. Auf Grund der Berichte der Direktoren über Seminar= und Probejahr stellt 
das Provinzialschulkollegium demnächst das Urteil über den Verlauf und Erfolg der ge- 
samten zweijährigen praktischen Ausbildung fest und beschließt über die Anstellungsfähig- 
keit des Kandidaten. Eventuell kann die Verlängerung des Probejahres angeordnet 
werden. Unter gewissen Umständen ist die Anstellungsfähigkeit zu versagen.? 
II. Die Rechtsverhältnisse der anstellungsfähigen Kandidaten sind durch den 
Ministerialerlaß v. 15. Mai 1905 3 geregelt. Nachdem der Kandidat die Anstellungs- 
fähigkeit erlangt hat, wird er auf Ansuchen in die Kandidatenliste der Provinz aufge- 
nommen. Die endgültige Anstellung der Kandidaten erfolgt an den vom Staate unter- 
haltenen und den auch hinsichtlich des Besetzungsrechts der Lehrerstellen unter staatlicher 
Verwaltung stehenden höheren Schulen grundsätzlich nach der Anciennität. Diese wird 
vom Tage der Ausstellung des Zeugnisses über das vollendete Probejahr oder über die 
erlangte Anstellungsfähigkeit an gerechnet. Die anstellungsfähigen Kandidaten haben, so- 
bald sie kommissarisch verwendet werden, Beamtencharakter. Zur Anstellung im höheren 
Lehrfache ist außer dem Nachweise der gesetzlichen Befähigung noch erforderlich, daß der 
Kandidat der Militärpflicht im stehenden Heere genügt hat oder dartut, daß er hierzu 
für nicht geeignet befunden ist. Hinsichtlich der Religion des Anzustellenden sind die 
Bestimmungen der Art. 4, 12 und 14 der Verfassungsurkunde v. 31. Jan. 1850 maß- 
gebend." Die Anstellung von Nichtangehörigen des Deutschen Reiches als Lehrer ist an 
die Genehmigung des Ministers der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten geknüpft. 
III. Die Wahl und Bestallung der Lehrer an höheren Schulen steht bei könig- 
lichen Lehranstalten lediglich dem Staate (dem Provinzialschulkollegium), bei städtischen 
und anderen Patronatslehranstalten dem Patron, bzw. den Kuratorien unter Bestätigung 
des Provinzialschulkollegiums zu. Die Direktoren werden vom König ernannt, bzw. 
bestätigt.“ 
IV. Die allgemeinen Vorschriften über die Pflichten und Rechte der Beamten! 
finden auch auf die Lehrer an höheren Schulen Anwendung. Die besonderen Vorschriften 
  
1 Seminare bestehen in Königsberg, Danzig, 
Berlin, Posen, Breslau, Magdeburg, Münster, 
Kassel, Koblenz und bei verschiedenen höheren 
Schulen. 
2 Besondere Prüfungsvorschriften bestehen für 
Gesanglehrer und Gesanglehrerinnen (Ordn. v. 
24. Juni 1910, Z. U. V. 1910, S. 581), für 
Zeichenlehrer an höheren Schulen (Instr. v. 
23. April 1885, Z. U. V. 1885, S. 547). Eine 
umfassende Anderung der Vorschriften über die 
Ausbildung und die Prüfungen der Kandidaten 
des höheren Schulamts steht bevor. 
* 3. U. V. 1905, S. 409. 
xlüber die Nichtbefähigung solcher Personen, 
die aus einer der anerkannten Landeskirchen aus- 
getreten sind (Dissidenten), zur Anstellung als 
Lehrer (auch bei höheren Schulen) und über die 
Unzulässigkeit der Fortführung der solchen Per- 
v. Rönne-Zorn, Preuß. Staatsrecht. 
  
5. Aufl. III. 
sonen übertragenen öffentlichen Schulämter vogl. 
die Min. Erl. v. 8. Mai und 24. Juli 1847 
(M. Bl. d.hi. Verw. 1847, S. 320, 322), v. 4. Sept. 
1847 (a. a. O., S. 321), und Kab. O. v. 30. März 
1847 (a. a. S. 79). Vgl. v. Rönne, Unter- 
richtswesen, Bd. 1, S. 484 ff., S. 20, Bd. II, 
S. 70. 
5 A. L. R. II, 12, §§. 59, 60. 
4 Verordn. v. 9. Dez. 1842 (G. S. 1843, S. 1); 
Allerh. Order v. 10. Nov. 1862 (M. Bl. d. i. Verw. 
1863, S. 6); für die neuen Provinzen Min. Erl. 
v. 13. März 1867 (das. S. 113). Die Einführung 
der Direktoren höherer städtischer Lehranstalten, 
welche vom König bestätigt sind, soll stets durch 
einen Kommissar der königl. Aufsichtsbehörde er- 
folgen (Min. Erl. v. 28. Okt. 1868, M. Bl. d. i. 
Verw. 1869, S. 11). 
A. v. R. II, 12, §. 65. 
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