Das System der Kommnnalverwaltung. (8. 3.) 15
zwecks oder in Vertretung und im Interesse des Staates ausübt, kann schon deshalb
nicht anerkannt werden, weil nach unserer Ansicht der ganze Lebenszweck der Gemeinde
in der Verwirklichung von Staatsaufgaben beruht; aber auch Rosin selbst kann sein
Kriterium wohl kaum als befriedigend bezeichnen, wenn er nach demselben — entgegen
den Vorschriften des preußischen Rechtes — dahin kommen muß, „daß die Handhabung
der Ortspolizei, welche nichts anderes ist als die durch Anwendung eines bestimmten
Mittels — (Beschränkung der persönlichen Handlungsfreiheit des Einzelnen zu Gunsten
der Gesamtheit, .. .) — charakterisierte Fürsorge für die örtlichen Gemeininteressen, zum
eigenen Wirkungskreise, die Ortspolizeigewalt zu den eigenen Rechten der Gemeinde ge-
höre“. 1 Ebensowenig kann, wie andere Schriftsteller wollen, das Maß der der Gemeinde
zustehenden freien Beschlußfassung gegenüber der Beschränkbarkeit derselben durch staat-
liche Anweisungen entscheidend sein. Es ist einerseits nicht richtig, daß die Gemeinde
sich in den Angelegenheiten, welche allgemein dem eigenen Wirkungskreise zugerechnet
werden, völlig frei bewegt, wie sie andererseits im übertragenen Wirkungskreise nicht
lediglich den Anweisungen der staatlichen Behörden unterworfen ist.? Uberhaupt von
keinem Wirkungskreis der Gemeinde als solcher, also auch von keinem „üÜbertragenen“,
kann man aber in denjenigen Fällen sprechen, in denen staatliche Geschäfte einzelnen
Organen der Gemeinde unmittelbar vom Staate zur Verrichtung überwiesen und diese
so in ein unmittelbares Dienstverhältnis zum Staate gebracht sind. Die Gemeinde als
solche kommt hier nur insofern in Betracht, als sie gesetzlich verpflichtet ist, dem Staate
in ihren Organen geeignete Träger für die betreffenden Staatsgeschäfte zu stellen.
g. 3.
Das System der Kommunalverwaltung.
Die Kommunalverbände zerfallen in Ortsgemeinden, die ihrerseits entweder
Stadt= oder Landgemeinden sind, und Kommunalverbände höherer Ordnung
oder weitere Kommunalverbände", Kreise und Provinzen; und zwar sind diese
drei Arten der Kommunalverbände derartig einander übergeordnet und gleichzeitig das
ganze Staatsgebiet umfassend organisiert, daß grundsätzlich jeder Teil des Staatsgebietes
1 Zu demselben Resultat wie Rosin gelangt
Schulze, 1, S. 451 ff., 475. Auch er rechnet
die Ortspolizei nach einem von jeher in
Deutschland bestehenden Rechte zum eigenen
Wirkungskreise der Gemeinden und sieht es
„als ein Mißverständnis der preußischen Gesetz-
Ausdruck bringt, daß die selbstverwaltenden
Funktionen die eigenen Rechte des Staates sind
und bleiben“, und bezeichnet als eigenen Wir-
kungskreis „den Inbegriff derjenigen Verwal-
tungsbefugnisse, bei denen der Unterschied zwi-
schen Zuständigkeit und Ausübung nicht hervor-
gebung“ an, „wenn dieselbe überall grundsätz-
lich den Gemeinden die Ortspolizei abspricht"“.
Das heißt aber nichts anderes, als die Gesetz-
gebung einer Theorie zuliebe für falsch erklären,
während doch umgekehrt eine Theorie nur auf
Grund der Bestimmungen des positiven Rechtes
aufgestellt werden darf.
: So Stein, S. 320 ff. Er unterscheidet
innere (oder eigene) und amtliche Verwaltung.
„Die Thätigkeiten der Gemeinde, welche einen
selbständigen Beschluß derselben ausführen,
bilden in ihrer Gesamtheit den eigenen Wir-
kungskreis derselben; diejenigen Thätigkeiten
dagegen, welche ein Gesetz oder eine Verord-
nung des Staates ausführen, enthalten das,
was man den übertragenen (amtlichen) Wir-
kungskreis nennen kann.“ Auch Seydel, II,
S. 19 ff., läßt die freiere oder gebundenere Stel-
lung der Gemeinden den Staatsbehörden gegen-
über maßgebend sein. Hänel, I, S. 137, da-
gegen hält den Wirkungskreis für übertragen,
„soweit das positive Recht die Auffassung zum
tritt“. Ahnlich hält v. Stengel, Organisation,
S. 17, den Wirkungskreis für übertragen, so-
weit den Gemeinden Angelegenheiten zur Be-
sorgung überwiesen sind, „welche nicht bloß als
öffentliche, sondern speziell als staatliche betrach-
tet werden, d. h. als solche, deren Besorgun
sich der Staat selbst vorbehalten hat“. Auch
diese beiden Abgrenzungsversuche sind unbefrie-
digend, weil es meistens wieder nur Ansichts-
sache sein wird, ob das Recht eine gewisse „Auf-
fassung zum Ausdruck bringt“ und ob der Staat
eine Angelegenheit, die er den Gemeinden durch
Gesetz zur Erlebigung übertragen hat, eigentlich
nicht als eine durch die Gemeinden, sondern
als eine durch sich zu besorgende betrachtet.
Bgl. Blodig, Selbstverwaltung, S. 102 ff.
* Die Bezeichnung „weitere Kommunalver=
bände“ für Kreise und Provinzen ist gesetz-
lich anerkannt im gronkenorssichsrungsgese v.
15. Juni 1883 (R. G. Bl., S. 73) s. 12
10. April 1892 (R. G. Bl., S. 379)