Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

16 Zweiter Abschnitt. (8. 4.) 
einer Ortsgemeinde, jede Ortsgemeinde einem Kreise und jeder Kreis einer Provinz an— 
gehört. Mit der höheren Ordnung des Kommunalverbandes erweitert sich also prinzipiell 
die territoriale Grundlage desselben. 
Nicht das Gleiche gilt von dem sachlichen Wirkungskreise der einzelnen Kommunal= 
verbände. Es könnte sehr wohl der Gedanke nahe liegen, daß auch er entsprechend dem 
räumlichen Wirkungskreise für die höheren Kommunalverbände ein weiterer sein müßte 
als für die niederen, daß eine stufenweise ausgebildete Kommunalverfassung nicht nur in 
räumlicher Beziehung, sondern auch hinsichtlich der materiellen Kompetenzen einen all- 
mählichen Ubergang von der Ortsgemeinde bis zum Staate, von dem niedrigsten Organis- 
mus zum höheren und höchsten repräsentieren müsse. Dieser Grundsatz ist in der 
preußischen Kommunalgesetzgebung nicht anerkannt. Gerade umgekehrt verengt sich der 
sachliche Wirkungskreis der einzelnen Kommunalverbände mit Erweiterung ihres örtlichen. 
Die weiteste sachliche Kompetenz kommt der Ortsgemeinde zu. Daß die Thätigkeit dieser 
eine umfassendere sein muß als die der Kreise und Provinzen, folgt schon aus dem Zwecke 
jedes Kommunalverbandes, diejenigen Staatsaufgaben zu verwirklichen, welche sich als 
selbständige örtliche Interessen gerade seiner Angehörigen darstellen. — Das örtliche 
Zusammenwohnen auf einem enger umgrenzten Gebiete, das Charakteristikum der Orts- 
gemeinde, erzeugt eine übergroße Fülle von gemeinschaftlichen. Interessen und Bedürfnissen 
der Gemeindegenossen, welche in jeder Ortsgemeinde einen spezifischen Charakter annehmen, 
eine besonders geartete Befriedigung fordern und daher notwendig der freien Selbst- 
verwaltung vieser Gemeinden überlassen werden müssen. In dem räumlich größeren 
Kreis= oder gar im Provinzialverbande bilden sich dagegen naturgemäß weniger Interessen 
aus, welche allen Genossen, oder doch einem großen Teile derselben gemeinschaftlich sind, 
spezisisch als Kreis= oder Provinzialinteressen erscheinen und diesen weiteren Kommunal= 
verbänden zur Erledigung überwiesen werden können. Verwaltungsgeschäfte aber, welche 
eine einheitliche Erledigung innerhalb des Gebietes mehrerer Kreise oder gar innerhalb 
des Gebietes einer oder mehrerer Provinzen erheischen, gewinnen leicht eine über das 
örtliche Interesse hinausgehende Bedeutung; die Besorgung dieser kann der Staat nicht 
aus seinen Händen geben, weil von derselben nicht nur das Wohl einer örtlichen Ge- 
meinschaft, sondern das Wohl des Ganzen in erheblichem Maße betroffen wird. Eine 
Hauptaufgabe der höheren Kommunalverbände ist es, die niederen, welche ihre Bestandteile 
bilden, da zu unterstützen, bezw. gänzlich zu vertreten, wo ihre eigenen Kräfte nicht hin- 
reichen, die ihnen zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen. 
Zweiter Abschnitt. 
Die Ortsgemeinden. 
Erstes Kapitel. 
Geschichtliche Entwickelung der Ortsgemeinden. 
Erster Titel. 
Die Städte. 
8. 4. 
I. Die Zeit bis zum Allgemeinen Landrecht.! 
Die deutschen Städte in ihrem heutigen rechtlichen Begriff sind eine Schöpfung des 
  
1 Über die Durchführung dieses Grundsatzes! schen Verfassung in Deutschland (in d. Ztschr. f. 
ogl. Blodig, Selbstverwaltung, S. 100 ff. geschichtliche Rechtswissenschaft, Bd. I, II (1815 
: Außer den Lehrbüchern der deutschen Rechts. —16)).— Gaupp, lber deutsche Städtebegrün- 
geschichte kommt hier folgende Litteratur in Be= dung, Städteverfassung und Weichbild im Mittel- 
tracht: Eichhorn, Über den Ursprung der städti= alter (Jena 1824). — v. Lancizolle, Grund-
	        
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