Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

312 Zweiter Abschnitt. (8. 85.) 
8. 85. 
J) Die Miets= und Wohnungssteuer.! 
Die in Frankreich entstandene Mietssteuer, welche das Innehaben und die Benutzung 
einer Wohnung zum Obiekt hat, ist eine Einkommensbesteuerung des Mieters, indem 
in der gezahlten Miete ein Merkmal für dessen Gesamteinkommen gefunden wird. Von 
Wohnungen, die der Hauseigentümer selbst benutzt, hat dieser die nach ihrem Miets- 
wert sich bemessende Steuer zu entrichten. Auch die Inhaber von Dienstwohnungen 
sind zur Zahlung derselben verpflichtet; für Dienstwohnungen der Reichsbeamten darf 
jedoch der Mietswert, von welchem die Steuer erhoben wird, höchstens auf 15 Prozent 
des baren Gehalts dieser Beamten veranschlagt werden, und es sind dabei Beträge, die 
der Beamte zur Bestreitung von Repräsentationskosten und als Dienstaufwandsentschädigung 
erhält, auf das Gehalt nicht anzurechnen. 
Aus der Eigenschaft der Mietssteuer als mittelbarer Einkommensteuer folgt, daß 
bei Erhebung der Mietssteuer von Beamten auch die Bestimmungen der Verordnung 
v. 23. Sept. 1867 Anwendung zu finden haben.? Besteht das Einkommen eines Beamten 
nur aus Diensteinkommen, so kann der von ihm gezahlte Mietszins nur halb so hoch 
mit der Mietssteuer belastet werden wie der gleiche Mietzins anderer Steuerpflichtiger. 
Setzt sich aber das Einkommen des Beamten aus Diensteinkommen und Privateinkommen 
zusammen, so ist die zu besteuernde Micte auf beide Einkommen verhältnismäßig zu 
verteilen und, soweit sie auf das Privateinkommen entfällt, voll, soweit sie dagegen auf 
das Diensteinkommen entfällt, nur mit dem halben Steuersatze zu belasten.? 
Nach dem Kommunalabgabengesetz“ kann die Mietssteuer in denjenigen Städten, 
in welchen sie zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes bestand 5, beibehalten werden, 
eine Neueinführung derselben ist aber ausgeschlossen. Die bestehenden Miets= und 
Wohnungssteuern sind mit dem Grundsatze, daß Aufwandsteuern das geringere Ein- 
kommen nicht verhältnismäßig höher als die größeren belasten dürfen 5, in Übereinstimmung 
zu bringen und bedürfen erneuter, an die Zustimmung der Minister des Innern und der 
Finanzen gebundener Genehmigung. Sie treten außer Kraft, falls diese Genehmigung 
nicht bis zum 1. April 1898 erfolgt ist. 
  
1 Vgl. Gneist, Mietssteuer, in v. Holtzen= 
dorffs Rechtslexikon, II, S. 752 ff.; Meyer, 
Verw. R., II, S. 298; v. Reitzenstein, Kom- 
munales Finanzwesen, in Schönbergs Hdbch. 
d. pol. Ok., III, S. 727; Leidig, S. 304. 
2 Auf die Mietssteuer bezieht sich §. 4, Abs. 2 
der Vdg. 
Nöll, S. 283, Anm. 4; S. 286 ff., Anm. 6 
u. 7; O. V. G., XXIV, S. 82. Über die Frage, 
ob bei Anwendung der Vdg. von 1867 der ganze 
auf das Diensteinkommen entfallende Mietszins 
zum halben Steuersatze, wie bier im Text ange- 
nommen, oder die Hälfte dieses Mietszinses zu 
veranlagen ist, wie Nöll und das O. V. G. 
annehmen, vgl. oben S. 292, Anm. 4. 
*K. A. G., §. 23, Abf. 3 u. 4. 
* Zu besonderer Bedeutung war die Miets- 
steuer in Berlin gelangt. (Vdg. über die Servis- 
  
einrichtung der Haupt= und Residenzstadt Berlin 
v. 26. Jan. 1816 (G. S., S. 3|. Z. IV.) Außer- 
dem wurden Mietssteuern nach den Stenogr. 
Ber. des A. H., S. 1998, nur in Frankfurt 
a. M., Halle und Danzig erboben. Vgl. auch 
Enneccerus, Die Steuerreform in Staat 
und Gemeinde (Marburg 1892). In weiteren 
Städten konnten Mietssteuern noch nach Ema- 
nation des K. A. G., aber nur bis zu seinem 
Inkrafttreten eingeführt werden. Sollten dies 
einzelne Städte getban haben, so findet auch 
auf diese Mietssteuern §. 23 des K. A. G. An- 
wendung. In Berlin und Halle sind die Miets- 
und Wohnungssteuern inzwischen aufgeboben 
worden. 
* Über die Bedeutung dieses Prinzips rogl. 
Nöll, S. 50, Anm. 5.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.