316 Zweiter Abschnitt. (8. 87.)
8. 87.
e) Die Naturaldienste.!“
I. Naturaldienste sind persönliche Dienstleistungen der Pflichtigen zur Befriedigung
wirtschaftlicher Bedürfnisse der Gemeinde, welche dieser ebenso wie die Steuern ohne
Empfang einer speziellen Gegenleistung zu leisten sind; sie nehmen aber nicht das Ver-
mögen, sondern die pPhysischen Kräfte der Pflichtigen in Anspruch und können daher
auch von denjenigen Personen gefordert werden, die von stenerlichen Leistungen ihres
geringen Einkommens wegen ganz oder teilweise freigelassen sind.? Die Naturaldienste
zerfallen in Hand= und Spanndienste. Die letzteren sind Dienste, welche mit Zug-
tieren, d. h. mit den bei Bewirtschaftung des Grundbesitzes in der betreffenden Gemeinde
gewöhnlich benutzten Tieren zu leisten sind.) Handdienste sind dagegen Dienste, welche
durch die Person, die eigene natürliche Kraft des Pflichtigen geleistet werden, wie z. B.
Boten= und Nachtwachtdienste; Leistungen, die eine gewisse handwerksmäßige Ausbildung
erfordern, fallen jedoch nicht unter diesen Begriff.“
II. Verpflichtet zur Leistung dieser Dienste können durch Gemeindebeschluß nur
Steuerpflichtige werden, diese aber sämtlich, die Erwerbsgesellschaften, Forensen und
juristischen Personen ebenso wie die physischen Einwohner, die einkommensteuerpflichtigen
ebenso wie die nur zur Zahlung von Grundsteuern in der Gemeinde verpflichteten Per-
sonen.3 Die Verteilung dieser Dienste ist gesetzlich dahin angeordnet: Spanndienste sind
von den Grunbdbesitzern“ nach dem Verhältnis der Anzahl der Zugtiere zu leisten, welche
die Bewirtschaftung ihres im Gemeindebezirke belegenen Grunvbesitzes gewöhnlich erfordert.
Handdienste sind dagegen von allen Pflichtigen in gleichem Maße zu leisten, jedoch kann,
da diese Dienste grundsätzlich vom Pflichtigen selbst geleistet werden sollen, die Gemeinde
von jedem nur eine Arbeitsleistung fordern, welche seinen individuellen Kräften entspricht.7
Ob und inwieweit den gespannhaltenden Grundbesitzern die ihnen obliegenden Spann-
dienste auf das Maß der auf sie entfallenden Handdienste anzurechnen sind, bestimmt
sich nach den hierüber getroffenen vertragsmäßigen oder statutarischen Festsetzungen oder
dem Herkommen; die Vermutung spricht im Zweifelsfalle dafür, daß die gespannhaltenden
Grundbesitzer nur bei solchen Arbeiten, bei welchen zugleich Spanndienste vorkommen,
von den Handdiensten befreit sind. Abweichungen von diesen Vorschriften, insbesondere
die Heranziehung solcher Steuerpflichtigen zu Spanndiensten, die zwar keinen oder einen
nur unerheblichen Grundbesitz in der Gemeinde haben, sich aber für ihren Gewerbe-
betrieb zahlreiche Zugtiere halten, bedürfen der Genehmigung.
Die Dienste können mit Ausnahme von Notfällen durch taugliche Stellvertreter
geleistet werden, auch kann die Gemeinde gestatten, daß an Stelle des Naturaldienstes
ein angemessener Geldbeitrag geleistet wird. Beschließt die Gemeinde jedoch, daß die
Dienste allgemein nicht in Natur, sondern in Geld zu leisten sind, so handelt es sich
überhaupt nicht mehr um Naturaldienste, sondern um die Erhebung direkter Steuern,
und es kommen die für diese geltenden Verteilungsvorschriften zur Anwendung.
III. Befreit sind von der Leistung der Dienste, sofern dieselben nicht auf den diesen
Personen gehörigen Grundstücken lasten:
1) die oben §. 80, unter II, 1 genannten, von der Gemeindeeinkommensteuer be-
freiten Personen, die unteren Kirchendiener jedoch nur, soweit ihnen eine solche Befreiung
1 Leidig, S. 323; v. Möller, St., §. 104;
L., §§. S84, 85; Steffenhagen, §. 130.
: K. A. G., §. 68, Abf. 5.
* Zu den Zugtieren können nach den ört-
lichen Verhältnissen auch Kühe gehören. Komm.
Ber. des A. H., S. 96.
* Komm. Ber. des A. H., S. 97; Ausf. Anw.,
Art. 44, 1, Abs. 2; Nöll, S. 215, Anm. 5.
5 K. A. G., §. 68, Abs. 1; Nöll, S. 215,
Anm. 4; Strutz, S. 163, Anm. 2.
" Ist das Grundstück verpachtet, so hat der
Gemeinde gegenüber der Pächter für die Ab-
leistung der Dienste einzustehen. Ausf. Anm.,
Art. 44, Z. 1; Nöll, S. 215, Anm. 8.
7 O. V. G., XX, S. 155.
* Mot., S. 65, zu §. 57 des Entwurfs; Ausf.
Anw., Art. 44, Z. 3.