Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 97.) 351 
dem Amte gehörigen Gemeinden ein gemeinsames Interesse haben, einen Kommunal- 
verband mit den Rechten einer Gemeinde“ bilden sollten. Der dem Verwal- 
tungsbezirke vorgesetzte Staatsbeamte sollte gleichzeitig „Kommunalvorsteher“ sein. — 
Damit waren auch rechtlich die Samtgemeinden ins Leben gerufen, welche noch heute in 
der Rheinprovinz und in Westfalen existieren.1 
2) Der Versuch, das Institut der Samtgemeinden durch die Gemeindeordnung v. 
11. März 18502 auch auf die östlichen Provinzen auszudehnen, scheiterte, da dieses 
Gesetz, wie bekannt, nicht zur Ausführung gelangte. Eine Vereinigung mehrerer Orts- 
gemeinden war hier nur zu einzelnen bestimmten Zwecken anerkannt, so zur Unterhaltung 
einer gemeinsamen Schule 3, zur gemeinschaftlichen Tragung der Armenlasten" u. s. w. 
Die Möglichkeit, sich zur Besorgung allgemeiner kommunaler Angelegenheiten zu ver- 
binden, wurde den Gemeinden erst durch die Kreisordnung v. 13. Dez. 1872 geboten. 
Diese gestattete, die in erster Linie für die Polizeiverwaltung bestimmten Amtsbezirke, 
in welche jeder Kreis mit Ausnahme der Städte eingeteilt wurde, zu Kommunalverbänden 
zu erheben; die zu einem Amtsbezirk gehörigen Gemeinden und Gutsbezirke 
wurden für befugt erklärt, durch übereinstimmenden Beschluß beliebige Kommunal= 
angelegenheiten dem Amtsbezirk zur Verwaltung zu überweisen.* Den erhofften prak- 
tischen Erfolg 6 hatte diese Ermächtigung wegen des schwer zu erzielenden Erfordernisses 
der Uebereinstimmung jedoch nicht; da man aber auch nicht darauf rechnen konnte, 
daß in Zukunft die Gemeinden von ibr häufiger Gebrauch machen würden, andererseits 
jedoch meinte, daß eine Verbindung nachbarlich belegener Gemeinden und Gutsbezirke 
zur Realisierung umfassenderer kommunaler Aufgaben unter Umständen dringend not- 
wendig sein könne? — wurden die gedachten Vorschriften der Kreisordnung in der 
neuen Landgemeindeordnung aufgehoben und durch eine Reihe neuer Vorschriften ersetzt. 
Charakteristisch ist diesen im Gegensatz zum früheren Rechte besonders, daß sie eine 
„Verbindung nachbarlich belegener Gemeinden und selbständiger Gutsbezirke behufs 
gemeinsamer Wahrnehmung kommunaler Angelegenheiten“ ohne Rücksicht auf die Grenzen 
der in Zukunft ausschließlich den Zwecken der Ortspolizeiverwaltung dienenden Amts- 
bezirke und selbst wider den Willen der Beteiligten zulassen. Die Rechte öffentlicher 
Körperschaften und damit den Charakter von Samtgemeinden, wie es die Bürgermeiste- 
reien bezw. die Amter in den westlichen Provinzen sind, erhalten diese Verbände 
erst auf Grund spezieller königlicher Verleihung. 
3) Dieselben Vorschriften wie in rven östlichen Provinzen gelten in Schles- 
wig-Holstein für die Verbindung von Gemeinden und Gutsbezirken zur gemeinschaft- 
lichen Erledigung kommunaler Angelegenheiten.“? Eigentümliche Gemeindeverbände 
bestehen hier noch in den Kreisen Husum, Norder= und Sübderdithmarschen in den 
Kirchspielslandgemeinden, welche Samtgemeinden im eigentlichen Sinne des 
Wortes sind, als Produkte einer jahrhundertelangen Entwickelung erscheinen und durch 
die Landgemeindeordnung v. 4. Juli 1892 wieder eine neue gesetzliche Grundlage er- 
halten haben. 10 
  
1 Vgl. L. G. O. w., §§. 4 u. 5; rh., 88. 1, 7, 
u. S. 
: G. O., 9§. 126—136. 
?: Bgl. z. B. Schulordnung für die Elementar- 
schulen der Provinz Preußen v. 11. Dez. 1845 
(G. S. 1846, ) 
Preuß. äute G. zum Unterstllcungswohn- 
si beeses v. 8. März 1871, §§. 9 ff. 
* Kr. O. ö., 8. 
* Der Ab ordnete Miquel sprach sich über 
die betr. Borschuisten der Kr. O. in der Sitzung 
des A. H. v. 19. März 1872 (Stenogr. Ber., 
S. 131) dahin aus: „Es ist das Amt berufen, 
die polizeilichen und sonstigen öffentlichen An- 
gelegenheiten, die ihm übertragen werden, zu 
verwalten. Wir haben die Befugnisse beschränkt 
auf diejenigen Dinge, welche rein polizeilicher 
Natur sind Wir haben aber auch gesagt, 
es soll das Amt kompetent sein in allen den- 
  
jenigen Angelegenheiten, welche ihm durch ein- 
stimmigen Beschluß der Gemeinden und Guts- 
bezirke übertragen werden. Hier wünschen wir 
allerdings, daß allmählich das natürliche Inter- 
esse der Interessenten selbst dahin führe, diese 
verschiedenen gemeinschaftlichen Angelegenheiten 
auch dem einen Körper zu übertragen — nicht 
auf einmal, nicht unerwogen durch einen großen 
Schlag, sondern bei genauer und sorgfältiger 
Detailerwägung werden wir in dieser Beziehung 
Schritt für Schritt weiter gehen.“ 
7 Vgl. hierüber die Ausführungen in der 
Begründung des Entwurfs der neuen L. G. O., 
mitgeteilt bei Genzmer, S. 81 ff., Anm. 1, 
und Freytag, Komm., S. 278 ff. 
6# L. G. O. ö., §§. 128—138. 
° L. G. O. schlesw.--holst., 88. 128 - 138. 
1°% L. G. O. schlesw.-holst., 88. 121 —-121f.
	        
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