Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

364 Dritter Abschnitt. (8. 102.) 
Die Landräte wurden auf den Kreistagen aus den adeligen Rittergutsbesitzern des 
Kreises gewählt 1, nur in den polnischen Landesteilen wurden sie vom Landesherrn er- 
nannt. Überall bedurfte die Wahl der Bestätigung des Königs, der Gewählte konnte 
sein Amt nur auf Grund königlicher Bestallung ausüben und wurde von der Kammer 
vereidigt. Der Landrat erhielt eine Besoldung.?" Aktiv nahmen an der Landratswahl 
nur die adeligen Rittergutsbesitzer teil, nicht dagegen die Städte, Stiftungen u. s. w., 
welche wegen des Besitzes von Rittergütern im übrigen Kreisstandschaft hatten. Wähl- 
bar zum Landrat waren nur diejenigen angesessenen Adeligen, welche ein bestimmtes Alter 
von 35 bis 40 Jahren erreicht und ihre Befähigung zu dem Posten durch Ablegung 
eines Examens nachgewiesen hatten.] 
Die Landräte hatten die Verhandlungen der Kreistage zu leiten und die laufenden 
kreisständischen Geschäfte zu erledigen, außerdem hatten sie aber, und dies nahm den 
bei weitem größten Teil ihrer Arbeitskraft in Anspruch, eine Menge staatlicher Ver- 
waltungsgeschäfte zu erledigen. Lag ihnen schon seit dem Großen Kurfürsten die Ver- 
waltung des Kontributionswesens, die Aushebung der Rekruten und ein Teil der länd- 
lichen Polizei ob, so übertrug ihnen Friedrich Wilhelm I. und später Friedrich der 
Große — dieser besonders durch die Instruktion für die Landräte der Kurmark v. 
1. Aug. 1776 — auch die meisten Geschäfte der inneren Verwaltung und der Finanz- 
verwaltung des platten Landes. In allen diesen Beziehungen wurden sie den Kriegs- 
und Domänenkammern unterstellt, und sie sollten allen Anordnungen derselben, ohne 
Rücksicht auf den Willen der Stände, Folge leisten.“" Der ständische Charakter des 
Landratsamtes war fast gänzlich geschwunden, nur das Wahlrecht der Stände erinnerte 
noch an ihn; die Landräte waren zu staatlichen Beamten geworden. 
4) Neben dem Landrat standen seit der Mitte des 18. Jahrhunderts Kreisdepu- 
tierte; nach dem Reskript Friedrichs des Großen v. 18. April 1753 sollten zwei für 
jeden märkischen Kreis bestellt werden. Sie wurden wie der Landrat aus der Mitte 
der adeligen Rittergutsbesitzer gewählt und vom Generaldirektorium bestätigt, hatten an 
Stelle des Kreistages einzelne ursprünglich diesem zugewiesene Geschäfte wahrzunehmen 
und außerdem den Landrat bei der Verwaltung seines Amtes zu unterstützen; eine Be- 
soldung bezogen sie nicht. Unter dem Landrat stand das weitere besoldete Beamten- 
personal des Kreises, besonders der Kreissekretär, der Kreiseinnehmer und der Kreiskassen- 
kontrolleur, welche von den Ständen gewählt und von den Kammern bestätigt wurden. 
F. 102. 
II. Die Zeit von 1808 bis 1848.“ 
I. Diese Kreisverwaltung, welche ausschließlich in den Händen des adeligen Groß- 
grundbesitzes lag, stand natürlich nicht im Einklange mit dem Geiste der Stein-Harden- 
bergschen Reform. Sie war zugeschnitten auf die ländlichen Verhältnisse des vorigen 
Jahrhunderts, in welchem die Bewohner des platten Landes auch wirtschaftlich von der 
adeligen Gutsherrschaft abhängig waren, und sie mußte schwinden mit der Gleichstellung 
der bäuerlichen und adeligen Besitzungen, mit der Lösung der wirtschaftlichen Beziehungen 
zwischen Gutsherrschaften und Hintersassen durch die Edikte v. 9. Okt. 1807 und v. 
14. Sept. 1811.7 
  
1 Unter Friedrich Wilhelm I. kamen häufig 
Ernennungen der Landräte auf Vorschlag der 
Kammern vor. Bornhack, Gesch., II, S. 26; 
E. Meier, S. 102. 
: Bornhack, Gesch., II, S. 157. 
: E. Meier, S. 103, 104. 
4 Bornhack, Gesch., II, S. 157 ff.; E. Meier, 
S. 105, 106, daselbst Quellennachweise. 
* Das Institut der Kreisdeputierten stammt 
aus Schlesien; hier war es bereits bei Einver- 
  
leibung dieser Provinz in Preußen in der alten 
Fürstentumsverfassung vorhanden; vgl. Born- 
hack, Gesch., II, S. 161, 163 u. 165. 
*V gl. die zum vorangehenden §. angegebene 
Litteratur; v. Stengel, Organisation, S. 100 ff., 
und auch v. Stengel, Staatsrecht des Zonig 
reichs Preußen, in Marquardsens Hdbch., Bd. II. 
Abt. 3 (Freiburg 1894), S. 360 ff. 
7 Vgl. über diese oben S. 52 ff.
	        
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