Kreisgemeinden; das geltende Recht. (8. 111.) 395
An Verhandlungen über Rechte und Verpflichtungen des Kreises varf derjenige nicht
teilnehmen, dessen Interesse mit dem des Kreises im Widerspruche steht.!1
Für die auf dem Kreistage vorzunehmenden Wahlen gilt ausschließlich das oben
besprochene Wahlreglement. Die Anfechtung dieser Wahlen erfolgt durch Einspruch beim
Vorsitzenden des Kreistages, welcher bis zum Schlusse des Kreistages von jedem Kreis-
tagsabgeordneten erhoben werden kann und durch Beschlußfassung des Kreistages endgültig
zu entscheiden ist.?
ine Abschrift jedes Sitzungsprotokolls ist dem Regierungspräsidenten einzureichen.
Petitionen und Eingaben, welche namens des Kreistages in Bezug auf die seiner
Beschlußfassung unterliegenden Angelegenheiten überreicht werden sollen, müssen auf dem
Kreistage selbst beraten und vollzogen werden; daß dies geschehen, ist auf den betreffen-
den Eingaben ausdrücklich zu vermerken.“
VI. Die Beschlüsse des Kreistages werden regelmäßig nach einfacher Mehrheit der
Stimmen gefaßt; bei Stimmengleichheit gilt der Antrag als abgelehnt. In drei Fällen
ist jedoch eine Stimmenmehrheit von mindestens zwei Dritteln der Abstimmenden erforder-
lich, nämlich: 1) wenn eine neue Belastung der Kreisangehörigen ohne eine gesetzliche
Verpflichtung, 2) wenn eine Veräußerung von Grund= oder Kapitalvermögen des Kreises
und 3) wenn eine Veränderung des festgestellten Verteilungsmaßstabes für die Kreis-
abgaben beschlossen werden soll.
Der Inhalt der Kreistagsbeschlüsse ist, sofern der Kreistag nicht im einzelnen Falle
etwas anderes beschließt, in einer vom Kreistage zu bestimmenden Weise zur öffentlichen
Kenntnis zu bringen.“
VII. Außer den Mitgliedern des Kreistages sind die Mitglieder des Kreisaus-
schusses zu den Sitzungen zu laden; sie haben aber nur beratende Stimme.7
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8. 111.
I. Die Zuständigkeit des Kreistages.“
Der Kreistag nimmt in der Kreisgemeinde dieselbe Rechtsstellung ein wie die Ge-
meindevertretung in der Einzelgemeinde. Er ist das Organ für die Willensbildung des
Kreises, nach dessen Beschlüssen die Exekutivorgane, der Kreisausschuß und der Landrat,
die Kreiskommunalverwaltung handhaben. Eine Exekutive steht dem Kreistage nur inso-
fern zu, als er die Ausführung seiner Beschlüsse kontrollieren kann.
Der Beschlußfassung des RKreistages unterliegen daher alle Kommunalangelegenheiten
des Kreises, soweit das Gesetz nicht besondere Vorschriften enthält. Über andere Ange-
legenheiten darf dagegen der Kreistag nur insoweit beraten und beschließen, als ihm
solche bereits zur Zeit der Emanation der Kreisordnungen durch Gesetz oder königliche
Verordnung ausdrücklich überwiesen waren oder später durch Gesetz überwiesen sind.?
1 Kr. O. ö., S. 122; w. u. rh., §. 66; hann.,
§ 78; hess.-nass., §. 79; schlesw.-holst., §. 109.
Selbstverständlich ist, daß ein Abgeordneter auch
an der Abstimmung über eigene Angelegenheiten,
z. B. an der Abstimmung über die Gültigkeit
seiner eigenen Wahl, nicht teilnehmen darf.
v. Brauchitsch, II. S. 151, Anm. 393; O. V.
G., III, S. 46.
„ Kr. O. ö., §. 116, Z. 8; w. u. rh., §. 61,
Z. 8; hann., §. 73, Z. 8; hess.-nass., S.74, Z. 8;
schlesw.-bolst., §. 103, Z. 8. Eine Prüfung
dieser Wahlen ex offticio ist gesetzlich nicht vor-
gesehen und weder dem Kreistage noch dem Kreis-
ausschusse übertragen. O. V. G., XXIV, S. 33.
* Abs. 4 der in Anm. 8, S. 394 cit. 8§.
4 Kr. O. ö., §. 126; w. u. rh., §. 70; hann.,
S. s2; maf. g. 83; schlesw., holst., S. 113.
! Kr. O . ,§14 wurb § 8 hann.,
§. 80; bess.-nass., §. 81; schlesw.n holst., §. 111
Nur für die Veränderung des festgestellten
allgemeinen Verteilungsmaßstabes (F. 12 der Kr.
O. ö.) ist zwei Drittel Stimmenmehrheit er-
forderlich, nicht für die erstmalige Feststellung
desselben, auch nicht für die Mehr= oder Min-
derbelastung einzelner Kreisteile. O. V. G., XII,
S. 27; M. Erl. v. 13. April 1874 (V. M. Bl.,
S. 104).
* Abs. 3 der in Anm. 8, S. 394 cit. §#§.
7 Kr. O. ö., §. 123; w. u. rh., §. 67; hann.,
§. 79; bess.-nass., §. 80; schlesw.-holst., 8. 110;
Die Mitglieder des Kr. A. können auch Mit-
glieder des Kreistages sein.
* v. Stengel, Organisation, S. 251 ff.;
Grotefend, I, §. 274; Bornhack, St. R., II,
S. 284, 285.
s— S. 115; w. u. rh., §. 60; hann.,
72; bess. nass. §. 73; schlesw. hholst. 8. 102.