Provinzialgemeinden; das geltende Recht. (8. 138.) 459
sondern auch auf Strafversetzung lauten. Diese Provinzialbeamten sind die einzigen
mittelbaren Staatsbeamten, welche wider ihren Willen zur Strafe in ein anderes Amt
von gleichem Range, jedoch mit Verminderung des Diensteinkommens und Verlust des
Anspruches auf Umzugskosten oder mit einem von beiden Nachteilen versetzt werden können. 1
Dritter Titel.
Der Wirkungskreis der Provinzialgemeinden.
Erstes Stück.
§. 138.
Im Allgemeinen.
Der Wirkungskreis der Provinzialgemeinden umfaßt ebenso wie der der Gemeinden
niederer Ordnung teils solche Aufgaben, zu deren Verrichtung sie gesetzlich verpflichtet
sind, teils solche, die sie freiwillig übernommen haben.
Die Provinzial-(Bezirks-) Gemeinden haben zunächst eine beschränkte Autonomie.
Sie sind befugt, über solche ihre Verfassung betreffenden Angelegenheiten, hinsichtlich
deren das Gesetz auf statutarische Regelung verweist oder keine ausdrücklichen Vorschriften
enthält, Statuten und über besondere Einrichtungen des Provinzialverbandes Regle-
ments#s zu erlassen. Die Statuten wie die Reglements sind vom Provinzial-(Kom-
munal-) Landtage zu beschließen und durch die Amtsblätter der Provinz bekannt zu machen.
Die Statuten bedürfen stets der landesherrlichen Genehmigung. Von den Reglements
bedürfen der Genehmigung der zuständigen Minister: die Reglements der Landarmen= und
Korrigendenanstalten, der Irren-, Taubstummen-, Blinden= und Iviotenanstalten, soweit sie
die Aufnahme, die Behandlung und Entlassung der Landarmen, Korrigenden, Irren u. s. w.
bezw. den Unterricht derselben betreffen; die Reglements der Hebammenlehrinstitute, wenn
sie die Aufnahme, den Unterricht und die Prüfung der Schülerinnen zum Gegenstande
haben; die Reglements der Provinzialhilfs= (Bezirkshilfs-) und Darlehenskassen hinsicht-
lich der Grundsätze, nach denen die Gewährung von Darlehen zu erfolgen hat; die
Reglements der Versicherungsanstalten hinsichtlich der Organisation und der Verwaltungs-
grundsätze und endlich die Reglements über die dienstlichen Verhältnisse der Provinzial-
beamten hinsichtlich der Grundsätze über die Anstellung, Entlassung und Pensionierung
der Beamten.“
Der Schwerpunkt der Thätigkeit der Provinzialgemeinden liegt auf dem Gebiete der
inneren Verwaltung; hier gilt von der Befugnis der Provinzen, ihren Wirkungskreis im
Interesse der Förderung der materiellen und geistigen Entwickelung ihrer Angehörigen
zu erweitern, dasselbe wie von den Kreisen. Auch der Provinziallandtag kann neue
Angelegenheiten als „im Interesse der Provinz“ liegend zum Gegenstande der Provinzial-
verwaltung machen und die für sie erforderlichen Ausgaben beschließen. Gebunden
ist er bei seinen Entschließungen nur insofern, als diese sich einerseits nicht auf
Gegenstände der allgemeinen Landesverwaltung, andererseits aber auch nicht auf Gegen-
stände erstrecken dürfen, die ihrer örtlich beschränkten Bedeutung nach nicht die Provinz
als solche, sondern nur Einzelgemeinden oder Kreise interessieren.? In Hessen-Nassau
„ Pror. O., §. 98; hess.= nass., 8. 71; für
* Prov. O., 53 35, 119, Z. 1, u. §. 120;
Vae Vdg. v. 5. Nov. 1889, §S. 32; A. u.
bess.-nass., §§. 6, 32, 9,. Z. 1, u. 8. 93; für
L. O. bohen., §. 77, Abs. 3.
: v. Stengel, Organisation, S. 291 ff.;
Bornhack, St. R., II, S. 319 ff.; Grote-
fend, 1, S. 710 ff. Vgl. auch Löning,
Verw. R., S. 218.
Über den Unterschied zwischen Reglements
und Statuten vgl. oben S. 10..
Posen 8 v. 5. Nov. 1889. 8. 41, Z. 1, u.
S. 42; A. u. L. O. hohenz., 88. 54, 61, 3. 1,
u. 8. 80.
* Prov. O., §. 31, II, u. §. 37. Vgl. auch
oben S. 409 und v. Brauchitsch, II, S. 200,
Anm. 5, Z. 3, S. 214, Anm. 4.