Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

34 Zweiter Abschnitt. (8. 8.) 
worden. Diese Zustände wurden wirderhergestellt und bis zur Emanation der noch 
heute geltenden kurhessischen Gemeindeordnung v. 23. Okt. 1834 beibehalten. Dieses 
Gesetz erinnert an das französische Recht nur durch die ziemlich gleichheitliche Behand- 
lung der Stadt= und Landgemeinden. 
2) In Nassau bestand das französische System bis zur Einführung der freisinnigen 
Gemeindeordnung v. 12. Dez. 1848, an deren Stelle unterm 26. Juli 1854 das heute 
geltende nassauische Gemeindegesetz trat. Dieses Gesetz hat zwar die echt französische 
völlige Gleichstellung von Stadt und Land beibehalten, erkennt dabei aber die volle 
Selbständigkeit der Gemeinden an. 
3) In Preußen wurde das französische Gemeinderecht nach der Restauration des 
Staates im Jahre 1815 durch die preußische Gesetzgebung in den östlichen Provinzen, wo# 
es sich am längsten in den kleinen Städten Posens erhielt, gänzlich, in der Rheinprovinz 
dagegen nur teilweise verdrängt.? In der Rheinprovinz erhielten französische Grund- 
sätze sogar noch eine neue Kodifikation. Als nämlich die preußische Städteordnung von 
1831 in die Rheinprovinz eingeführt werden sollte, verlangte die dortige Bevölkerung, 
daß ihr die bestehende, Stadt und Land gleichstellende Gemeindeverfassung belassen werde, 
was insofern eine gewisse Berechtigung hatte, als in den industriellen Rheingegenden 
die Bildung und Beschäftigung der Bewohner von Stadt und Land eine sehr viel mehr 
gleichartige ist als in den übrigen Teilen der Monarchie, während es an größerem 
Grundbesitz, der für die Verfassung der Landgemeinden bestimmend ist, fast gänzlich 
fehlt. Es erging daher für die Rheinprovinz unterm 23. Juli 1845 in Anlehnung an 
das zur Zeit dort geltende Recht eine besondere, Stadt und Land gleich behandelnde 
Gemeindeordnung, welche auch insofern bedeutsam ist, als sie zum erstenmal in Preußen 
das Dreiklassenwahlsystem einführte. Hinsichtlich der Städte ist dieselbe später durch 
die rheinische Städteordnung v. 15. Mai 1856 ersetzt worden, für die Landgemeinden ist 
sie mit einigen durch Gesetz v. 15. Mai 1856 eingeführten Modifikationen noch heute 
geltendes Recht. 
4) In Bayern wurde die Gemeindeverfassung im Sinne der Gemeindefreiheit 
durch Edikt v. 17. März 1818 revidiert, durch Gesetz v. 1. Juli 1834 neu geordnets; 
beide Gesetze bilden noch heute die Grundlage der Gemeindeverfassung in den ehemals 
bayrischen Gebietsteilen, welche später an Preußen gekommen sind. In Bayern selbst 
sind an Stelle dieser Gesetze zwei neue Gemeindeordnungen für die Landesteile diesseits 
des Rheines und für die Pfalz v. 29. April 1869 getreten." 
5) In den ehemals großherzoglich hessischen Gebietsteilen Preußens gilt 
dagegen noch heute als letzter Rest echt französischer Gemeindegesetzgebung das groß-- 
herzoglich hessische Gesetz v. 30. Juni 1821, dessen Bestimmungen zum größten Teil später 
in das im ehemaligen landgräflich hessischen Amte Homburg geltende Gemeindegesetz v. 
9. Okt. 1849 übernommen sind. Im Großherzogtum Hessen selbst ist das Gesetz von 
1821 durch zwei neue, auf dem Prinzip freier Selbstverwaltung basierende Gemeinde- 
verfassungsgesetze, die Städteordnung v. 13. Juni 1874 und die Landgemeindeordnung 
v. 15. Juni 1874, ersetzt. 
  
1 Über diese Ordnung „betr. die Dienstpflicht 
der Greben, Dorfschulzen oder Eidgeschworenen 
und anderer in der Gemeinde zur Aufsicht be- 
stellter Leute“ siehe Kulenkamps Neue Samm- 
lung der kurhessischen Landesordnungen, II, 
S. 65. Diese Verordnung bezog sich nicht auf 
die Grafschaft Schaumburg, den jetzigen Kreis 
Rinteln. Für diesen wurden jedoch durch die 
Verordnung v. 25. Aug. 1820 wenigstens be- 
züglich der Verteilung der Gemeindeabgaben 
und durch das Regierungs-Ausschreiben vom 
14. Sept. 1820 (Kurhess. G. S., S. 71 bezw. 
  
74) bezüglich der Verteilung der Gemeindespann- 
dienste einheitliche Bestimmungen erlassen, die 
erst durch das neueste preußische Kommunal-= 
abgabengesetz ihre Geltung verloren haben. 
Betreffs der Einführung der St. O. v. 1831 
in diese Gebietsteile vgl. den vorangehenden 8. 
unter VI. Für die Landgemeinden Westfalens 
ergine eine besondere L. G. O. unterm 31. Okt. 
1841. 
* Seydel, 1II, S. 6 ff.; v. Maurer, IV, 
S. 333 ff. 
* Seydel, II, S. 16 ff., bes. S. 18.
	        
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