Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

48 Zweiter Abschnitt. (8. 11.) 
Im höchsten Grade nachteilig und verwirrend wirkte endlich auf die ländlichen Ver- 
hältnisse der Mangel jeder festen Grenze zwischen den bäuerlichen Besitzungen und dem 
herrschaftlichen Vorwerkslande und die Befugnis der Gutsherren, über den Bestand der 
ersteren zu disponieren. Zunächst unterließen die Gutsherren, welche eine Erweiterung 
ihrer wirtschaftlichen Ländereien anstrebten, es häufig, heimgefallene oder infolge der 
Kriege und Seuchen von den Bauern verlassene Höfe wieder zu besetzen, nahmen solche 
vielmehr mit dem Vorwerksacker unter den herrschaftlichen Pfllug. So wurde besonders nach 
dem Dreißigjährigen Kriege durch die Einziehung verödeter, später als „wüste Hufen“ 
oder „wüste Güter“ bezeichneter Höfe das Vorwerksland überall vermehrt. Man begnügte 
sich aber nicht mit der Einziehung erledigter Stellen; besetzte Stellen wurden ausgekauft, den 
Bauern wurden wider ihren Willen ihre Höfe genommen. Dieses Recht war dem Adel in 
Brandenburg schon 1540 durch Joachim II. ausdrücklich zugesprochen worden, und nicht anders 
wie hier hatten sich die Verhältnisse in den andern Territorien östlich der Elbe gestaltet. 
Wie die Hebung der damals korrumpierten städtischen Verfassung in Preußen von 
den Landesherren ausging, so auch die der elenden ländlichen Verhältnisse. Friedrich 
Wilhelm I. war es, der auch hier mit starker Hand eingriff. Durch mehrere Edikte 
suchte er die wirtschaftliche Existenz der Bauern gegen Ubergriffe der Gutsherrschaften 
zu schützen und dem immer mehr um sich greifenden Einziehen der bäuerlichen Grundstücke 
zum herrschaftlichen Vorwerkslande (Legen der Bauern) ein Ende zu machen. Für 
die Kurmark Brandenburg ordnete er durch die Edikte v. 29. Juni 1714, 31. März 
und 30. Aug. 17171 an, daß alle nach dem Jahre 1624 eingezogenen oder doch im 
Steuerkataster von 1624 noch als steuerbare und zu besetzende aufgeführten Höfe und 
Acker wieder zu besetzen seien, und durch Reskript v. 14. März 17392 befahl er der 
pommerschen Kriegs= und Domänenkammer, „für das Künftige bei der schwersten Ver- 
antwortung dahin zu sehen, daß kein Landesvasall von denen Markgrafen an bis auf 
den Geringsten, er sei, wer er wolle, sich eigenmächtig unterstehen dürfe, einen Bauer 
ohne genügende Raison und ohne den Hof sogleich wieder zu besetzen, aus dem Hofe 
zu werfen“. Zu allgemeineren Anordnungen kam es noch nicht. Friedrich II. regelte 
zunächst die Verhältuisse in Schlesien. In der Konstitution für das Herzogtum Schlesien 
und die Grafschaft Glatz v. 14. Juli 17498 bestimmte er, daß von nun an keiner Grund- 
herrschaft und überhaupt keinem Dominium mehr erlaubt sein sollte, Bauerngüter an sich 
zu bringen oder deren ücker an sich zu ziehen und die Höfe statt mit Bauern mit 
Gärtnern, Häuslern oder Tagelöhnern zu besetzen, auch sollte es den Gutsherrschaften 
nicht gestattet sein, diejenigen herrschaftlichen Prästanda, welche auf den bis dahin that- 
sächlich in der Kultur der Dominien befindlich gewesenen meisten Bauernhöfen gehaftet 
hatten, auf die übrigen besetzt gebliebenen Wirtschaften abzuwälzen und zu verteilen. 
Bezüglich der ausweislich der Steuerratifikationsakten schon im Jahre 1723 wüste ge- 
wesenen Bauernhöfe sollte es bei der Deklaration des sub dato Neisse den 10. Sept. 
1748 emanierten Patentes bleiben, nach welchem dieselben von den Dominien niemals 
anders als nach dem herrschaftlichen Divisore versteuert werden brauchten. Dieses sollte 
jedoch nicht dahin ausgelegt werden, daß „ante annum 1723 zu denen Vorwerken ein- 
gezogene Bauernhöfe wider ihre Beschaffenheit für Ritter oder Dominial- 
höfe erkannt und solche, zum Nachteil der Bauern von denen Rustikal-Oneribus be- 
freyt“ blieben, die betreffenden Dominien sollten vielmehr verpflichtet bleiben, „dergleichen 
Rustikal-Onere à proportion der besitzenden Bauernhöfe fernerhin zu tragen“, und nur 
diejenigen hiervon befreit sein, welche nachwiesen, „daß die bei einem herrschaftlichen 
Vorwerke befindlichen Bauernhöfe schon in anno 1633 eingezogen und beim Vorwerk 
kultivieret werden“."“ Es wurde hier also ebenso wie in Brandenburg ein Normal- 
jahr, das Jahr 1633, festgesetzt, eine Wiederherstellung der damals vorhanden gewesenen 
Bauernhöfe zwar nicht angeordnet, jedoch unzweideutig ausgesprochen, daß nach gedachtem 
  
1 Mylius, C. C. N., IV, Abt. III, S. 599. staatlichen Grundsteuer als herrschaftliche be- 
2 Quickmann, Pommersche iennsenunn: trachtet werden, doch sollte dies auf ihre Quali- 
lung, S. 902, Nr. 3. tät als Rustikalgrundstücke keinen Einfluß haben, 
Kornsche Ediktensammlung, III, S. 517. für letztere vielmehr d. J. 1633 maßgebend sein. 
4 Demnach sollten die in den Jahren 1633—O. V. G., II, S. 137 ff. 
1723 eingezogenen wüsten Hufen hinsichtlich der
	        
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