Ortsgemeinden; das geltende Recht. (§. 16.) 67
für sich eine verschiedene Verfassung entwickelt. Diese sollte ihnen auch bei der neuesten
Reform des Städtewesens nicht genommen werden, sondern nach dem Gesetze v. 31. Mai
1853 durch besonders aufzustellende, vom Könige zu bestätigende Rezesse erhalten bleiben.
Diese Rezesse bilden nicht nur Ergänzungen des staatlich festgesetzten Stadtrechtes, sie sind
vielmehr für die betreffenden Städte die ausschließlichen Grundgesetze ihrer Verfassung.
II. Ebenso wie die Städte können auch die Landgemeinden Ortsstatuten beschließen,
welche neben den Gesetzen „eine bleibende Richtschnur für die Behandlung der An-
gelegenheiten einer einzelnen Gemeinde bilden sollen“. Sie können sich auf solche An-
gelegenheiten der Gemeinde beziehen, hinsichtlich deren die Gesetze Verschiedenheiten ge-
statten oder auf ortsstatutarische Regelung verweisen, sowie auf solche, deren Gegenstand
nicht durch Gesetz geregelt ist. Sie dürfen nicht den Gesetzen!, in Westfalen auch nicht
den Provinzialstatuten widersprechen und müssen überall vom Kreisausschuß bestätigt
werden. Unter den gleichen Voraussetzungen wie die Einzelgemeinden können auch die
durch die rechtliche Verbindung mehrerer Gemeinden entstandenen Samtgemeinden?
statutarische Anordnungen für ihren Bezirk erlassen, und in Westfalen kann mit Ge-
nehmigung des Königs sogar der Provinziallandtag wegen solcher auf das Gemeindewesen
bezüglichen Angelegenheiten, hinsichtlich deren die Gemeindeordnung keine Bestimmungen
enthält, nähere Festsetzungen für die ganze Provinz oder einzelne Teile treffen. 3."
Zweiter Titel.
Dierechtliche Stellung der Ortsgemeinden.
g. 16.
I. Begriff, Entstehung und Endigung der Stadt= und Landgemeinden.
I. Zum juristischen Begriffe jeder Ortsgemeinde gehört:
1) eine Mehrheit von Menschen (persönliche Grundlage), welche
2) auf einem bestimmt begrenzten Territorium (dingliche Grundlage) mit nachbar-
lich belegenen Wohnungen ansässig und ·
3) durch eine Verfassung zu einer Einheit organisch verbunden ist. Entscheidend
für die Frage, ob nun ein solches Gemeinwesen eine Stadt- oder eine Landgemeinde ist,
ist lediglich ihre Verfassung. ·
1 Bgl. oben S. 65, Anm. 8.
: Bgl. unten §. 97.
* L. G. O. ö. u. schlesw.-holst., §. 6; w.,
#5. 13; rh., §. 11. Die L. G. O. hann. braucht
nicht das Wort „Statut“, jedoch meint sie ein
solches zweifellos in §. 2, Abs. 2 (hierfür folgt
es schon aus M. Bek., §. 63, Abs. 2), 88. 3
—5 („Stimmordnung“), §. 42, Z. 2, 7 u. 8,
s. 51. Die M. Bek. spricht in §. 6 aus-
drücklich von einem „Statut“, in welchem das
Verhältnis der eine Samtgemeinde bildenden
Einzelgemeinden zu einander zu regeln ist, und
in §. 63, Abs. 2, gleichfalls von einem „Sta-
mte“, in welchem die von der L. G. O. ab-
weichenden Bestimmungen für die Verfassung
der dem Rechte der Landgemeinden unterstehen-
den Städte, Vorstädte, Flecken 2c. festzustellen
sind. In letzterem können für die gedachten
Städte u. s. w., das sind alle, auf welche die
St. O. hann. nach ihrem S. 4 nicht Anwen-
dung findet, insbesondere die Wahl und Dienst-
zeit des Vorstandes, die Bildung des Gemeinde-
ausschusses, die Stellung desselben zum Vor-
stande, die Fassung von Gemeindebeschlüssen,
das Stimmrecht und die Grundsätze über
Erwerb und Verlust des Bürgerrechtes nach
Maßgabe der St. O. geregelt, auch die Besol-
dung des Vorstandes nach anderen Grundsätzen
als die der Landgemeindebeamten bestimmt
werden. M. Bek., §. 62. — Betr. der Zu-
ständigkeit vgl. Zust. G., §. 31.
* L. G. O. w., §. 12. Eigentümlich ist
dieser L. G. O. auch die Bestimmung in §. 13,
Abs. 3, daß hinsichtlich derjenigen Gegenstände,
wegen welcher auf statutarische Regelung ver-
wiesen ist (§8. 15, 24, 25, 26, 27, 28, 58 u.
75, Z. 3), bis dahin daß letztere erfolgt ist,
der Kr. A. nach Anhörung der Gemeinde-
oder Amtsversammlung die erforderlichen Fest-
setzungen zu treffen hat.
5 Leidig, S. 32 ff; v. Möller, St. u. L.,
#§. 8. Prinzipielles über die Neubildung und
Aufpedung von Gemeinden, findet sich bei Blo-
dig, Selbstverwaltung, S. 110 ff.
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