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des Norddeutschen Bundes am 4. März ı867 vorgelegten Ver-
fassungsentwurf !).
Der konstituierende Reichstag war aber nicht gewillt, diesen
Mangel einer eigenen Bundesregierung hinzunehmen. Denn die
Volksvertretung hat sich zu keiner Zeit auf eine Mitwirkung bei
der Gesetzgebung beschränken lassen ?). Sie kümmert sich auch
darum, ob und wie die Gesetze durchgeführt werden und wer
dafür verantwortlich ist?). Es erschien vom Standpunkt der kon-
stitutionellen Gewaltenteilung aus notwendig, das Organ der ge-
setzgebenden Gewalt in Verbindung zu setzen mit dem nächst
der Krone (Bundespräsidium) höchsten Organ der Verwaltung,
dem Ministerium %. Auf diese Verantwortlichkeit des Ministeriums
mußte der Reichstag das größte Gewicht legen, denn der kolle-
giale Bundesrat konnte nicht verantwortlich sein, und die preußische
Regierung, die für den Bund tätig werden sollte, war wohl gegen-
über dem preußischen Landtag, aber nicht gegenüber dem Reichs-
tag verantwortlich 3).
Das Bestreben, diesem Mangel des Verfassungsentwurfs ab-
zuhelfen führte zu lebhaften Auseinandersetzungen und zu einer
Reihe von Anträgen‘), die auf die Begründung eines selbstän-
digen dem Reichstage verantwortlichen Bundesministeriums zielten.
2.
In dem Kampfe der Geister, in dem Durcheinanderwogen der
widerstreitenden politischen Anschauungen der Unitarier, Födera-
ı) Einen Vergleich dieses Entwurfs mit dem preußischen bringt Hänel, Die
vertragsmäßigen Elemente der deutschen Reichsverfassung (Studien zum deutschen
Staatsrecht, Leipzig 1873, Teil IH, S. 270 ff.).
2) Hänel, Studien, Teil II, S. 16.
3) Laband, Die Wandlungen der deutschen Reichsverfassung, Dresden 1895,
S. 10.
4) Preuß, Die organische Bedeutung der Art. ı5 und 17 der Reichsverfassung
(Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, Tübingen 1889, Bd. XXV, S. 423).
5) Vgl. Triepel, Unitarismus und Föderalismus im Deutschen Reiche, Tübingen
1907, S. 35.
6) Vgl. über diese Hänel, Studien, Teil II, S. ı6 ff.