Full text: Die Reichsregierung.

einmal, weil er sich nicht verwirklichen läßt, ohne die vertrags- 
mäßigen Rechte der Reichsglieder und das Vertrauen auf die 
Sicherheit der Bundesverträge zu schädigen, dann aber auch, weil 
er eines von den Mitteln bildet, durch welche der Schwerpunkt 
der Reichsregierung in die wechselnden Majoritäten des Reichs- 
tags hinübergeleitet werden soll, und weil diese Ueberleitung, 
wenn sie gelänge, die Wiederauflösung der deutschen Einheit nach 
der Ueberzeugung der Regierung im Gefolge haben würde“). 
Man versteht nicht recht, warum mit so schwerem Geschütze 
gegen einen nur in der Presse, nicht einmal im Parlamente ver- 
kündeten Punkt des Programms einer politischen Partei geschossen 
werden, warum die Gesamtheit der Bundesregierungen im Bundes- 
rat mobilisiert werden mußte. 
Man kann nicht annehmen, daß Fürst Bismarck eine solche 
politische Aktion nur im augenblicklichen Aerger über eine 
oppositionelle Partei durchgeführt hat, um die Werbekraft des 
Programms für die nächsten Wahlen zum Reichstag zu hemmen. 
Vielleicht waren es weniger die unitarischen Tendenzen der 
Forderung der Reichsministerien, die er bekämpft wissen wollte 
als die parlamentarische Regierung’), die in dem freisinnigen 
Programm gar nicht gefordert war. 
Fürst Bismarck fürchtete englische Einflüsse und wollte für 
den Fall eines Thronwechsels, der bei dem Alter Kaiser Wilhelms I. 
in drohender Nähe stand, durch die feierliche Erklärung der 
„verbündeten Regierungen“ einen Riegel gegen die Verwirk- 
lichung einer parlamentarischen Regierung vorschieben. 
1) Es reiht sich an folgende Erklärung Bayerns: „Die bayerische Regierung ist 
zu tätiger Mitwirkung an der nationalen Entwicklung auf föderativer Grundlage jeder 
Zeit bereit; eine Fortbildung der Rechtsverhältnisse in unitarischer Richtung aber wird 
sie stets mit Nachdruck bekämpfen. Aus diesem Grunde steht sie dem Gedanken der 
Errichtung eines verantwortlichen Reichsministeriums durchaus ablehnend gegenüber, 
und zwar sowohl mit Rücksicht auf die Stellung des Bundesrates und die durch die 
Grundverträge gewährleisteten Rechte der Einzelstaaten, als auch mit Rücksicht auf 
die zukünftige Entwicklung und den gesicherten Fortbestand des Reiches“ (Annalen 
a a 0.S. 352). 
2) Vgl. Triepel, Unitarismus, S. 99.
	        
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