Full text: Die Reichsregierung.

Es bedurfte daher einer starken, die Nerven aufreibenden 
Arbeit, um den Plänen des Kanzlers nicht geneigte Fachminister 
zu gewinnen, und Fürst Bismark hat sich wiederholt über solche 
Friktionen beschwert. Er beklagte sich über diese schwierige, 
die amtliche Tätigkeit komplizierende und den Fortschritt der 
kanzlerischen Arbeit hermmende Kraftanstrengung. Er hat die 
Einrichtung des preußischen Systems des kollegialen Staats- 
ministeriums als einen groben Mißgriff getadelt, dessen Ueber- 
tragung auf das Reich er mit aller Macht als verderblich abzu- 
wehren bemüht war. 
Und wenn selbst eine so überragende Gestalt wie die durch 
unsterbliche geschichtliche Erfolge beispiellos gewachsene des 
ersten Reichskanzlers, für den es doch nur formal Kollegen im 
preußischen Ministerium gab, in der Mit- oder Vorarbeit des 
preußischen Ministeriums eine ihn fühlbar drückende Erschwerung 
seiner Wirksamkeit im Reiche erblickte, so mußten für seine Amts- 
nachfolger um so mehr in solchem aktiven und passiven Wider- 
streben mitunter schwer zu überwindende Schwierigkeiten für eine 
erfolgreiche Amtsführung gegeben sein. Fürst Bismarck hat darum 
ein Mittel für die Stärkung des kanzlerischen Einflusses im Schoße 
des preußischen Ministeriums für nötig erachtet. Und er fand 
ein solches, auf das selbstverständlich auch seine Nachfolger nicht 
verzichten konnten, in der Ernennung einiger Chefs der Reichs- 
ämter zu preußischen Staatsministern (ohne Portefeuille). 
In diesen Mitgliedern des preußischen Ministeriums hatte er 
eine kräftige Stütze seiner reichspolitischen Pläne, Vertreter 
des Reichsgedankens gegenüber partikularistischen Interessen, 
aber auch gegenüber vielleicht an und für sich begründeten 
Bedenken des Ressortpartikularismus von Fachministern, die 
gegenüber den höheren politischen Anforderungen des Staates 
und des Reichs doch nicht maßgebend bleiben durften. Wieder- 
holt hat Fürst Bismarck darüber Klage geführt, daß sich seine 
preußischen Ministerkollegen zu sehr von Rücksichten ihres
	        
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