Ressorts leiten ließen und deshalb oft den weiten Blick eines
nicht nur als Ressort-, sondern zugleich auch als Staatsminister
die Dinge von der höheren Warte der allgemeinen Staats- und
Reichspolitik schätzenden Staatsmannes vermissen ließen.
Schon der Präsident des Bundeskanzleramts Delbrück wurde
auf Wunsch des Kanzlers ermächtigt und beauftragt, den Sitzungen
des preußischen Staatsministeriums beizuwohnen (1869), und erhielt
dann auch den Titel eines Staatsministers?).
Der Bundeskanzler legte ein Gewicht auf den Ministertitel.
Er hielt dafür, daß der Präsident des Bundeskanzleramts eine
ministerielle Stellung haben, ein Minister für Bundesangelegen-
heiten werden müsse. „Ich denke mir, daß mit der Zeit der Kanzler
x) In einem interessanten Briefe des Kanzlers an Delbrück d. d. Varzin
5. November 1869 (Aus Bismarcks Briefwechsel — Anhang zu den Gedanken
und Erinnerungen von Otto Fürst von Bismarck, Stuttgart und Berlin 1901, Bd. II,
S. 435), in dem es sich um die Ernennung des preußischen Finanzministers Camp-
hausen zum Bundesratsbevollmächtigten handelt, sagt der Briefschreiber: „Die Moti-
virung könnte das Bedürfnis präciserer Einheit der Bundesfinanz-Verwaltung mit der
Preußischen hervorheben, und nebenher, für den König aber von durchschlagendem
Gewicht, die Erleichterung, die für mich daraus hervorgeht, daß der Finanzminister
nicht durch mich, sondern durch seine Verständigung mit dem Bunde und in dem-
selben bewirkt. Das letztere Motiv militirt auch vorzugsweise für Ihre eigene Be-
teiligung an den Sitzungen der Preußischen Minister. Die Maßregel muß nicht als
eine politische, sondern als Geschäftserleichterung Sr. Majestät vorgetragen werden.
Das principielle Einverständnis des Königs habe ich in diesem Sinne auf mein Ihnen
bekanntes Schreiben bereits erhalten. Um den formalen Antrag zu stellen, muß ich
die Sache aber erst im Staatsministerium zur Sprache bringen. Schwierigkeiten erwarte
ich dort nicht, denn sachlich könnte ja nichts dagegen eingewendet werden, wenn Sie
als generell von mir substituirt in jeder Sitzung erschienen. Daß der König Ihnen
dabei den Titel als Staatsminister giebt, halte ich unentbehrlich, wegen Ihrer Stellung
im Bundesrat. Ich möchte, daß es dabei bliebe, daß Friesen, wenn er da ist, präsi-
dirt, und Sie, wenn er nicht da ist. Zu diesem Behufe müssen Sie sich aber, wenn
mehrere unsrer Minister einireten, den Titulaturwechsel gefallen lassen; der des Prä-
sidenten des B. K. A. (Bundeskanzleramts), dem Sie einen so guten Namen gemacht
haben, kann ja der übliche und geläufige bleiben, wird aber ein für allemal, wie ich
glaube, eine ministerielle Stellung werden müssen, ein Minister für Bundesangelegen-
heiten.“ — Die oben erwähnte prinzipielle Zustimmung des Königs zur Erleichterung
Bismarcks durch eine erweiterte Stellung Delbrücks ward ausgesprochen in einem
Briefe des Königs an Bismarck vom 27. Oktober 1869 (Anhang zu Gedanken und
Erinnerungen, Bd. I, Kaiser Wilhelm und Bismarck, S. 204).