Full text: Die Reichsregierung.

Dem Senior der Jenenser Juristenfakultät, Herrn Geh. Rat 
August Thon, widme ich diese Studie zum goldnen Doktor- 
jubiläum. Ich darf eine wohlwollende Aufnahme voraussetzen für 
die Erörterung eines wichtigen Problems unseres Verfassungs- 
rechts bei ihm, der mit den Grundlagen der allgemeinen Rechts- 
lehre auch speziell öffentlich-rechtliche Prinzipien zum Gegenstand 
seiner literarischen Studien gemacht hat. Ich darf diese freundliche 
Aufnahme voraussetzen bei dem Jubilar, dessen Oheim, Ottokar 
Thon, der militärische Begleiter Karl Augusts auf dem Wiener 
Kongreß, „allein unter allen Zeitgenossen“, nach den Worten 
Heinrich von Treitschkes!), mit prophetischem Blick in 
seiner Denkschrift?) die Hauptgrundlage unserer Reichsverfassung, 
das Ausscheiden Oesterreichs und die Einheit Deutschlands unter 
Preußens Führung richtig erkannt hat°). 
In einem Leitartikel des führenden Organs der nationallibe- 
ralen Partei, der Nationalzeitung, vom 22. Mai 1894 konnte man 
lesen: „Ein bairisches klerikales Blatt besaß dieser Tage die 
Kühnheit, es als einen ‚Unfug‘ zu bezeichnen, daß in Berlin von 
einer kaiserlichen Politik, von einer Reichsregierung, von einer 
ı) v. Treitschke, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, Leipzig 1879, 
2. Aufl., Bd. I, S. 678. 
2) Vgl. über diese die Biographie von Ottokar Thons Tochter Therese Böhlau, 
Ottokar Thon, Weimar 1895, S. 327 ff. 
3) Ueber das politische Zukunftsbild des trefflichken Weimaraners vgl. noch 
O. Lorenz, Kaiser Wilhelm und die Begründung des Reichs 1866—1871, Jena 
1902, S. 7f. 
Rosenthal, Die Reichsregierung. 1
	        
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