Full text: Die Reichsregierung.

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die Staatssekretäre wie der Reichskanzler als politische Beamte, 
als Minister rechtlich charakterisiert worden, indem der Kaiser 
sie jederzeit entlassen kann und sie, was sich als eine Konsequenz 
aus dem Verantwortlichkeitsprinzip ergibt, jederzeit ihre Entlassung 
fordern können. 
Wenn man mit v. Seydel!) als den staatsrechtlichen Kern 
der Ministerialeinrichtung die Stellung des Ministers zur Krone 
ansieht, so kommt man im Gegensatz zu v. Seydel zur Be- 
jahung des Ministerialcharakters der Stellvertreter. Denn auch 
der Stellvertreter ist „willensfrei bei Beantwortung der Frage, 
ob er zu den Regierungshandlungen, die der Monarch vorzu- 
nehmen wünscht, seine Mitwirkung leihen will oder nicht, ob er 
diese Handlungen für zweckmäßig und für gesetzmäßig hält oder 
nicht, und eben deswegen, weil er hierin frei, durch die staats- 
dienerliche Gehorsamspflicht nicht gebunden ist, kann er für jene 
amtliche Tätigkeit verantwortlich gemacht werden“? Daß aber 
nicht die staatsdienerliche Gehorsamspflicht dem Staatssekretär 
obliegt, sondern daß ihm das freie Entscheidungsrecht bezüglich 
der Gegenzeichnung kaiserlicher Anordnungen zusteht, beweist 
auch der angeführte $ 35 des Reichsbeamtengesetzes. 
Wenn so die staatsrechtliche Stellung der Staatssekretäre als 
Minister eine starke Einschränkung durch die Unterordnung unter 
den Reichskanzler erleidet, so haben sie doch faktisch fast die 
volle Stellung von Ministern. Das Eingriffsrecht des Reichs- 
kanzlers kommt, wie gesagt, nicht zur Anwendung’). 
1) v. Seydel, Kommentar zur Reichsverfassung, S. 178: „Das Kennzeichnende 
dieser Stellung aber ist, daß die Gehorsamspflicht, die den Verwaltungsbeamten gegen- 
über der Krone obliegt, für den Minister eine Aenderung erleidet.“ 
2) v. Seydel,a. a. O. S. 178. 
3) Noch vor Erlaß des Stellvertretungsgesetzes äußerte Fürst Bismarck im 
preußischen Abgeordnetenhause am 25. Januar 1873, indem er im Gegensatz zu den 
preußischen Ministern bezüglich des „hoch und ministeriell gestellten Beamten“ im 
Reiche sagte — „ich bin berechtigt, im äußersten Falle zu verfügen, was man so 
unabhängigen Charakteren gegenüber oder dem Maße von Unabhängigkeit des Charakters 
gegenüber, welches mit großer Tüchtigkeit verbunden zu sein pflegt, sehr schwer und 
selten tur“. 
 
	        
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