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deutschen Regierung gesprochen werde, es gebe nur eine Politik
des Bundesrats, dessen Präsident der König von Preußen mit
dem Titel deutscher Kaiser sei.“
Als mildernder Umstand könnte, so wird von der Nationalzeitung
ausgeführt, von dem Blatt darauf hingewiesen werden, „daß Zei-
tungen, welche den häufig falschen Schein erwecken, die Auf-
fassung des Fürsten Bismarck auszusprechen — derartige An-
sichten ebenfalls vertreten.“
Und in der Tat lesen wir in den „Hamburger Nachrichten“
in Artikeln, deren Beeinflussung durch Friedrichsruh wohl an-
genommen werden darf, in dieser Periode Darlegungen wie die:
„Eine Reichsregierung, die der Reichskanzler gegenüber dem
preußischen Ministerium verträte, gibt es verfassungsmäßig über-
haupt nicht. Wenn der Ausdruck Regierung gebraucht wird, so
ist damit zunächst immer die preußische gemeint, welche berufen
ist, die Reichspolitik hauptsächlich zu beeinflussen“),
Auch in anderen Artikeln der „Hamburger Nachrichten“
wird die Verfassungsmäßigkeit einer Reichsregierung bestritten ?).
Wenn aus so entgegengesetzten Lagern die „Reichsregierung“
in ihrer staatsrechtlichen Existenzberechtigung bekämpft wird,
dann dürfte in einer Periode, in der dieses Problem dem Kampf-
felde politischer Parteimeinungen entrückt ist, der Zeitpunkt ge-
kommen sein, um in eine objektive Prüfung der Frage der
ı) „Hamburger Nachrichten“, 29. Dezember 1893 „Reichskanzler und preußi-
sches Ministerium“, abgedruckt bei Horst Kohl, Bismarck-Jahrbuch, Berlin .1894,
Bd. I, S. 346.
2} In einem Artikel vom 22. März 1894: „Die Trennung der obersten Aemter“
wird gesagt, „daß an der Spitze der preußischen Regierung und derjenigen Institu-
tionen, die man neuerdings als ‚Reichsregierung‘ zu bezeichnen liebt, dieselbe Aller-
höchste Persönlichkeit steht“ und in einem Artikel vom 16. September 1894: „Der
preußische Finanzminister und die Reichs-Steuerreform‘ heißt es wieder: „Die materia
peccans in den meisten unklaren Fragen der inneren Politik in der neuesten Zeit liegt
vorwiegend in der Personaltrennung und in der künstlich genährten Fiktion, als ob
der Reichskanzler an der Spitze einer von dem preußischen Ministerium nicht durch-
weg abhängigen Politik stände“‘ (Bismarck-Jahrbuch, Bd.I, S. 352, vgl. auch
S. 354, 385).