Full text: Die Reichsregierung.

_- 8. — 
überragende Stellung des Premiers gegenüber seinen Kollegen 
im Kabinett wird durch die hervorragenden Eigenschaften ein- 
zelner Premiers gefördert. Die Persönlichkeit wird auch hier ent- 
scheidend für die Bedeutung des Amtes. So hat Pitts große 
Geschicklichkeit, seine Popularität und die Anerkennung seiner 
Verdienste durch den König das übrige Kabinett in den Schatten 
gestellt"), und Peel, Disraeli oder Gladstone waren die Leiter der 
Gesamtpolitik ihres Landes. 
„Nirgends in der weiten Welt“, sagt Gladstone?), „gibt es 
einen Mann, der so viele Macht mit so geringem äußeren Schein 
in Gestalt eines formellen Titels vereinigt.“ 
Mögen wir Biographien und Denkwürdigkeiten leitender 
Staatsmänner oder mögen wir staatsrechtliche Werke zu Rate 
ziehen, überall finden wir die Wahrheit verkündet, die sich dem 
Blicke eines jeden die Praxis der britischen Politik unbefangen 
Betrachtenden erschließen muß, daß der englische Premierminister 
nicht nur der Kollege der übrigen Kabinettsmitglieder ist, sondern 
daß diese dem Premier untergeordnet?), daß der Premier die 
Regierung des Staates entscheidend leitet. Wenn sich auch im 
wirklicher Minister da sei, der das Hauptgewicht im Staatsrat und den ersten Platz 
im Vertrauen des Königs besitze. In dieser Beziehung darf es keine Rivalität oder 
Teilung der Macht geben. .. Die Macht muß ruhen auf der Person, die gemeiniglich 
der erste Minister genannt wird. Wenn es unglücklicherweise zu einer so tiefgreifenden 
Meinungsverschiedenheit kommen sollte, daß kein Geist der Versöhnung und des Zu- 
geständnisses sie ausgleichen kann, so müssen die Ueberzeugungen des Ministers als 
maßgebend zugestanden und anerkannt werden.“ 
ı) Vgl. Hearn, The government of England, London 1867, p. 207 („Even of 
questions of vital importance he did not take the opinion of his colleagues“). 
2) Gladstone, Gleanings of past years, Vol. I, p. 244. 
3) Low, S. 31: „Die Verfasser von Kompendien stimmen hinsichtlich gewisser 
charakteristischer Grundzüge des englischen Kabinettssystems überein . . . ein dritter 
Punkt ist der, daß seine (des Kabinetts) übrigen Mitglieder dem Premierminister 
untergeordnet sind, der der Leiter der ganzen Verwaltung und ihr Vertreter der Nation 
und der Krone gegenüber ist.“ 
4) Dicey (Introduction to the study of the law of the constitution, 7. ed., London 
1908, p. 8) sagt in Opposition gegen Blackstone: „The executive of England is in fact 
placed in the hands of a committee called the Cabinet. If there be any one person
	        
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