Full text: Kriegsanordnungen des stellv. Generalkommandos I. Bayerischen Armeekorps

240 Schutz der Jugend. 
Pressenotiz. Das stellv Generalkommando I. Bayer. Armeekorps 
hat sich nach Beratung mit Organen und Vereinen der Jugendfürsorge 
veranlaßt gesehen, Vorschriften zum Schutze unserer heranwachsenden Jugend 
zu erlassen, da infolge der Abwesenheit einer großen Anzahl männlicher 
Erzieher die Aufsicht immer schwieriger wird und die zunehmende Zucht- 
losigkeit einen Gegenstand ernster Sorge bildet Die Vorschriften richten 
sich gegen das Rauchen, den Wirtsbaus= und Kinobesuch, das beschäftigungs- 
lose Herumstreunen in den Abendstunden, ferner gegen die Schundschriften 
und gegen die Verabfolgung von Schußwaffen und Munition. Ste beziehen 
sich auf die Jugendlichen bis zum vollendeten 17. Lebensfahr. · 
Das Rauchen der Jugendlichen hat nach dem einstimmigen Urteil 
der berufenen Kreise in den Städten und auf dem Lande in einer Weise 
überhand genommen, die die Volksgesundheit schwer bedroht. Belehrungen 
und Ermahnungen #n der Schule und die Mittel der Schulzucht haben 
gegen die Unsitte nicht genügend auszurichten vermocht und konnten die ihr 
besonders huldigende schulentlassene Jugend überhaupt nicht treffen. Es ist 
zu hoffen, daß das nunmehr erlassene Verbot der Verabfolgung von Zigarren, 
Zigarretten, Rauch-, Kau= und Schnupftabak an Jugendliche unter 17. Jahren, 
ohne Rücksicht ob sie gegen Entgelt oder unentgeltlich erfolgt, das Uebel an 
der Wurzel trifft. Um eine Umgehung des Verbots zu Lerhtadern, ist auch 
der Vertrieb von Zigarren, Zigarretten, Rauch-, Kau= und Schnupftabak 
mittels sogen. Warenautomaten verboten. Daneben ist das Rauchen der 
Jugendlichen auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen und an anderen 
öffentlichen Orten (wie Wirtschaften, Straßenbahnen) selbst unter Strafe 
gestellt was den Polizeiorganen auch die Berechtigung gibt, Jugendlichen, 
ie verbotswidrig rauchen die Rauchmittel abzunehmen. 
Für den Wirtshausbesuch der Jugendlichen ist eine eigene Jugend- 
polizeistunde eingeführt, dergestalt, daß Jugendlichen unter 17 Jahren nur 
noch bis 9 Uhr abends und nur in Begleitung erwachsener Angehöriger, 
Vormünder, Pfleger oder sonstiger Aufsichtspersonen (Arbeitgeber oder deren 
Stellvertreter, Geistliche, Lehrer, Führer von Jungmannschaften usw.), nach 
9 Uhr abends auch nicht in Bealeitung Erwachfener, der Zutritt zu Gast-, 
Schank= und Speisewirtschaften (einschließlich der Antomatenrestaurants und 
Kaffeehäuser) gestattet werden darf. Gast-, Schank= und Speisewirte, die 
dem Verbot zuwiderhandeln, Jugendliche, die verbotswidrig Gast-, Schank- 
oder Speisewirtschaften besuchen, diejenigen, die Jugendliche verbotswidrig 
in Gast-, Schank= und Speisewirtschaften mitnehmen, sind strafbar. Die 
Ortspoltzeibehörden können eine frühere Stunde festsetzen. Die Bestimmungen 
des Art. 56 des Poltzeistrafgesetzbuchs über den Besuch von Wirtschaften 
und Tanzunterhaltungen durch Jugendliche bleiben unberührt, was ins- 
besondere mit Rücksicht auf diejenigen Jugendlichen, deren Schulpflicht sich 
über das 17. Lebensfahr hinaus erstreckt, von Bedeutung ist 
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Die einschneidendste Bestimmung ist das absolute Verbot des Besuchs 
von Lichtspieltheatern durch die Jugendlichen unter 17 Jahren mit Aus- 
nahme besonderer von der Schulbehörde veranstalteter Jugendvorführungen. 
Es bat sich herausgestellt, daß nur mit einem solchen Verbot die schwere 
Gefährdung der Jugendlichen, die von den Kinos ausgeht. ausgeschaltet 
werden kann. Gegenüber dem Wohl der heranwachsenden Jugend müssen 
alle anderen Rücksichten, die gegen das Verbot allenfells geltend gemacht 
werden könnten, zurücktreten. Inhaber von Lichtspieltheatern, die Jugend- 
lichen den Zutritt zu den Vorführungen gestatten, Jugendliche, die solche 
besuchen und Erwachsene, die sie mituehmen, machen sich strafbar. Daneben 
ist das Anschlagen und Ausstellen von Plakatbildern, die in ihrer jetzigen 
Art ebenfalls eine ernste Gefahr für die Jugendlichen bedeuten, verboten. 
Das vielbeklagte beschäftigungslose, Herumtreiben der Jugendlichen auf 
öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen und an anderen öffentlichen Orten, 
insbesondere in der Nähe von Kasernen. Lazaretten usw., ist insoweit unter 
Strafe gestellt, als es nach 9 Uhr abends erfolgt. Die Ortspolizeibehörden 
können eine frühere Stunde festsetzen. 4
	        
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