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Endlich zeigten sich große Scharen von Vögeln, die in südwestlicher Richtung
vorüberzogen. Diese Richtung schlug auch Kolumbus ein. Bald mehrten sich die
Anzeichen, daß Land in der Nähe war. Man fand einen Baumast mit Beeren und
einen künstlich geschnitzten Stab. Alle waren in gespanntester Erwartung. Es
war am 70. Tage nach der Abfahrt. Die Sonne war eben untergegangen. Kolumbus
gab Befehl, streng Wache zu halten, da er Klippen befürchtete. Um 10 Uhr abends
erblickte er Licht, aber es verschwand wieder. Da — um 2 Uhr nachts — feuerte
ein voraufsegelndes Schiff einen Kanonenschuß ab, und „Land, Land!“ erscholl
es jetzt vom Mastkorbe herab. Unter Tränen stürzten sich die Matrosen in die Arme
und sangen aus voller Seele: „Herr Gott, dich loben wir.“ Es war die Insel
Guanahani, die Kolumbus entdeckt hatte. Die Bewohner gingen nackt und hatten
eine kupferrote Hautfarbe. Sie hielten die Weißen, als sie deren Kanonen hörten,
für Götter, die Blitz und Donner in ihrer Hand hätten. Nachdem nun Kolumbus
noch Kuba und Halti entdeckt hatte, kehrte er zurück nach Spanien, wo er mit Jubel
und ausgezeichneten Ehren empfangen wurde.
4. Fernere Reisen. Tod. Kolumbus unternahm nun noch drei Reisen nach
dem neu entdeckten Lande. Bald aber erweckte ihm sein Ruhm Neider, die ihn
am spanischen Hofe verleumdeten und seine Verwaltung der neu entdeckten Landes-
teile in das schwärzeste Licht zu stellen suchten. Auf seiner dritten Reise wurde er
auf Haiti sogar in Ketten gelegt und so gefesselt nach Spanien gebracht. Hier stellte
sich jedoch seine Unschuld bald heraus, und Kolumbus unternahm nun noch eine
vierte Reise; aber auch diese brachte ihm nichts als Gram und Kummer. Gebrochen
an Leib und Seele, kehrte er nach Spanien zurück. Dort wurde er kühl ausgenommen.
Isabella war gestorben, Ferdinand aber war ihm nicht günstig gesinnt. All die
glänzenden Versprechungen, die ihm früher gemacht waren — er sollte Unterkönig
der neu zu entdeckenden Länder werden und den zehnten Teil des von ihnen zu
erhoffenden Einkommens haben — blieben unerfüllt. So starb der große Entdecker,
mit Undank belohnt. Bis zu seinem Tode blieb er der Meinung, daß die auf-
gefundenen Länder zu Indien gehörten. Der neue Erdteil erhielt seinen Namen
nach dem Florentiner Americo Vespucci, der über seine Entdeckungsfahrten
an der Küste von Südamerika Berichte veröffentlich hatte.
5. Folgen der Entdeckung Amerikas. Den ersten Nutzen von der Entdeckung Amerikas
hatten die Spanier. Sie holten auf ihrer „Silberflotte" große Mengen Gold und Silber in
ihr Land. Dadurch sank der Wert des Goldes bedeutend. Die „Neue Welt“ beschenkte Europa
mit Tabak, Mais und Kartoffeln. Die Gewächse Indiens: Reis, Baumwolle, Zucker-
rohr und Kaffee wurden in Amerika angepflanzt und gediehen in dem günstigen Klima vor-
trefflich. Europa konnte seinen Bedarf jetzt hier decken. Infolgedessen nahm der Welthandel
seinen Weg nicht mehr über das Mittelmeer nach Venedig und Genna, sondern über den At-
lantischen Ozean nach Spanien, Portugal, den Niederlanden und später nach England. All-
mählich änderte sich die Lebensweise in unserem Vaterlande. An die Stelle der Morgen-
suppe trat der Kaffee. Die Baumwolle drängte Leinen und Wolle zurück. Die Kartoffel wurde
nach und nach zum Volksnahrungsmittel und das Tabakrauchen trotz aller Verbote zur Sitte.
IX. Die Reformation und der Dreißigjährige Krieg.
1. Johann Hus. 1415.
1. Irrlehren der Kirche. Im Laufe der Jahrhunderte war die reine Lehre
Christi durch mancherlei Irrlehren entstellt worden. So lehrte man z. B., die Seele