Full text: Landeskunde des Großherzogtums Hessen, der Provinz Hessen-Nassau und des Fürstentums Waldeck. (376)

Der Odenwald. 31 
jedoch und zwar ziemlich häufig kehrt sich dies Verhältnis um, 
besonders in kesselförmigen Tälern, so daß es in den Talböden 
zur Ausbildung erheblich strengerer Frostgrade kommt, als an 
den Gehängen und auf den Höhen. Besonders tritt dies bei 
ruhigem Wetter im Winter ein, wenn die erkaltete Luft nicht 
durch Wind weggetragen wird, sondern, weil sie schwerer ist, 
in den Vertiefungen der Landoberfläche sich sammelt und dort 
stagniert. Ein Beispiel für solche Kessellage bietet das dadurch 
klimatisch sehr benachteiligte Michelstadt, welches im Ver- 
hältnis zu seiner geringen Meereshöhe viel zu kalt im Vergleich 
mit den umliegenden Orten mit meteorologischen Stationen 
ist. Wie stark diese Temperaturumkehrungen aber auch im 
vorderen Odenwald werden können, dafür sollen folgende 
wenige Beispiele den Beweis geben, die zeigen, um wieviel 
sich die Temperatur der freien Gipfel manchmal selbst über die 
der tiefgelegenen Orte erheben kann. 
Temperaturen am 
Ort Höhe über NN. 14. X. 1890 3. I. 1891 
Bensheim 1022 t 3,5560 —13,8° □ 
Felsbregg 512m 1# 11,90 — 34,890 
Rechnet man dazu, daß oft und gerade auch bei Wetterlagen, 
die solche Temperaturumkehr begünstigen, die tieferen Teile 
tagelang in Nebel gehüllt sind, während auf den Höhen 
Sonnenschein herrscht, so wird man diese Begünstigung der 
höheren Lagen und der Hänge, die sich über das erwähnte 
Meer stagnierender kalter Luft erheben, begreifen. 
Freilich dürfen wir nicht vergessen, daß sich die geschilderten 
Verhältnisse insofern wieder ausgleichen, als im Sommer die 
höheren Teile des Gebirges erheblich kühler sind und sie auch 
zu allen Zeiten bei unruhigem Wetter am meisten unter der 
Ungunst der Witterung zu leiden haben. Besonders die Hoch- 
flächen des hinteren Buntsandsteinodenwalds lassen das bei
	        
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