Das Rheinhessische Hügelland. 55
Hinter der Landwirtschaft tritt auf dem platten Land die
Industrie fast ganz zurück; nur die Kleingewerbe, und zwar
besonders die mit der Landwirtschaft in Verbindung stehenden
und die zu ihrem Betrieb nötigen Gerätschaften liefernden
sind überall verbreitet. Die Großindustrie hat ihren Sitz nur
in wenigen Städten aufgeschlagen, außerhalb derselben ist nur
die Steinindustrie zu erwähnen, die durch Brechen der Sand-
steine in Flonheim, der Kalksteine bei Oppenheim und Lauben-
heim in zum Teil sehr großen Steinbrüchen Bausteine für den
lokalen Bedarf, sowie das Material zum Brennen des Kalkes
und zur Zementfabrikation liefert. Größere Zementfabriken
finden sich besonders bei Laubenheim, in Amöneburg bei
Kastel und bei Ingelheim, die ihre Produkte meist auf dem
Wasserweg des Rheins, die letztgenannte unter Benutzung der
neugeschaffenen Ladeanlagen bei Frei-Weinheim, versenden.
Außerdem wird in einer großen Zahl von Gruben Ton und
verlehmter Löß abgebaut und in meist unmittelbar daneben
angelegten Ziegeleien zu Ziegelsteinen („Backsteinen") ver-
arbeitet, aus denen oder aus Kalkbruchsteinen bei dem großen
Mangel an Holz die Häuser ausschließlich gebaut sind. Be-
deutender als die Industrie ist die Handelstätigkeit, die be-
sonders in den Zweigen des Weinhandels und der Gast= und
Schankwirtschaften blüht.
Die Bevölkerung, zu den Rheinfranken gehörend und mit
den Bewohnern der Bayrischen Pfalz am nächsten verwandt,
aber mit mancherlei anderen Elementen durchsetzt, ist in ihrem
Charakter dem sonnigen Weinland, das sie bewohnt, angepaßt.
Witzig, mit dem Mund allezeit voran, geistig begabt, leicht be-
weglich und von schneller Auffassung, dabei leichtlebig und
dem Genuß nicht abhold, so bildet sie am Rhein den richtigen
Boden für den berühmten rheinischen Karneval, dessen einer
Hauptsitz Mainz, die Hauptstadt der Provinz und der
geistige Mittelpunkt derselben, ist. Im Land ist der Bauer schon