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Einer der schönsten Punkte der Riviera di Ponente ist
Mentone. An der Bucht zwischen dem Cap Martin und dem
Cap della Murtola baut es sich amphitheatralisch auf. Nach
Norden durch die nahe an das Meer herantretenden Alpes
Maritimes geschützt, von der wärmsten Frühlingssonne beschienen,
kennt es die rauhe Witterung unserer nördlichen Zone nicht.
Am 5. März empfing die Königin ihren hohen Gemahl am Ziel
der Reise. Das Königspaar nahm im Hoôtel des Iles Britanni-
dues Wohnung, einem großen, stattlichen Gebäude, ziemlich hoch
an der Westbucht gelegen. Die Aussicht von hier ist unbeschreib-
lich schön; die üppige südliche Vegetation des Carrei-Thales
umgiebt das Haus, hinter ihm erheben sich die Felsenmassen
des Gebirges, vor ihm liegt das weite, dunkelblaue Meer. Es
war das herrlichste Wetter. Mittags zeigte das Thermometer
im Schatten über 20° C, die Nächte und Abende waren kühl,
alles flüchtete vor 6 Uhr abends ins Zimmer, wo selbst noch ein
Feuer im Kamin erwünscht war. Die Riviera ist das Blumen-
paradies; die Entwicklung ist im März meist so weit fortge-
schritten wie bei uns im Juni, die Bäume hängen voll Orangen
und Zitronen und blühen gleichzeitig, Kamelien, Rosen, Heliotrop
blühen im Freien, Veilchen, Anemonen, Hyazinthen in allen
Farben wachsen wild, und der Wind trägt oft eine Duftwelle
daher.
Im Gefolge des Königs waren nur wenige Herren, in der
Begleitung der Königin befanden sich der Oberhofmeister und
die Gräfinnen Clementine Einsiedel und Fanny Strachwitz.
Es waren zwei Hofdamen, wie für dieses Amt geschaffen, zwei
schöne, hochgewachsene Erscheinungen. Gräfin Einsiedel blieb viele