170 A. Das Sonderrecht der Kriegsteilnehmer.
streitigen Verfahrens für die Angehörigen der ungarischen Land- und Seemacht
ergangen sind. Ebenso wenden die österreichischen Gerichte die einschlägigen
Bestimmungen auch auf die reichsdeutschen Kriegsbeteiligten an. Unter solchen
Umständen entspricht es einer Forderung der ausgleichenden Gerechtigkeit, daß
auch die deutschen Gerichte ebenso verfahren.
c) — Red. Diese Auffassung (a und b) widerspricht dem klaren Wortlaute
des § 2 der Verordnung. Danach tritt der Schutz der österreich-ungarischen
Kriegsteilnehmer erst mit dem Tage in Kraft, an dem der Reichskanzler im
Reichsgesetzblatt die Verbürgung der Gegenseitigkeit bekann tgemacht hat.
Dies ist der 4. Februar 1915. —
2. Die Frage der Rückwirkung der Verordnung.
a) Haberstumpf, Baypfl3. 15 48: Angesichts des § 2 Bek. vom 22. Oktober
1914 erhebt sich zunächst die Frage: Hat die Bekanntmachung rückwirkende
Kraft, obwohl ein ganz bestimmter Termin des Inkrafttretens vorgesehen ist? Die
Frage ist zu bejahen. Mit dem §I 2 ist nur gesagt, daß, wenn die Reichskanzler-
bekanntmachung nicht erfolgt, nur der negative Teil der Bundesratsbekannt-
machung gelten soll, daß nämlich die Kriegsbeteiligten Österreich-Ungarns
grundsätzlich nicht den deutschen Kriegern gleichstehen sollen. Erfolgt aber die
Reichskanzlerbekanntmachung, dann soll das Schutzgesetz vom 4. August 1914 bis
zu diesem Tage zurück, an welchem es in Kraft geireten ist, so ausgelegt werden,
als wenn die Osterreicher und Ungarn in dem Schutzgesetz ausdrücklich erwähnt
worden wären. Mit Recht weist Sieskind, Prozeßrechtlicher Schutz der Kriegs-
zeit (2) 19, darauf hin, daß die Osterreicher, welche unter deutschem Ober-
befehle kämpfen, also z. B. die im Kampfe gegen das Sperrfort Givet und
um Namur verwendeten schweren Motorbatterien, unter allen Umständen den
Schutz des deutschen Gesetzes ansprechen können, weil sie zu den gegen den Feind
verwendeten Teilen der deutschen Landmacht gehören. Ebenso natürlich die
Osterreicher und Ungarn unter Hindenburgs Oberbefehl.
b) Stocker, MittfAGAnwalte 15 18: Die Auffassung Haberstumpfs (oben )
verstößt gegen den klaren Wortlaut der Verordnung, ihren offenkundigen Zweck
und die Bedürfnisse der Praxis.
3. Die anwendbaren Bestimmungen.
a) Die Anwendung des § 2 des Gesetzes vom 4. August 1914.
a. Mayer a. a. O. 275: Soweit es sich um Handelsgesellschaften
handelt, wird das Verfahren unterbrochen, wenn alle Gesellschafter deutsche
oder österreichisch-ungarische Kriegsteilnehmer sind oder bei Gesamtver-
tretung die hiernach zur Vertretung erforderliche Anzahl nicht mehr vorhanden ist.
8. Mayer a. a. O. 196: Trotz der engen Fassung der Bekanntmachung vom
22. Oktober 1914 wird anzunehmen sein, daß der Schutz des Gesetzes sich auch
auf diejenigen österreichisch-ungarischen Staatsangehörigen beziehen soll, welche sich
als Kriegsgefangene oder Geiseln in der Gewalt des Feindes befinden,
da für diese Bestimmung die Angehörigkeit zur deutschen Land= oder Seemacht
ohnehin gleichgültig ist.
b) Die Anwendung des §6 G. vom 4. August 1914.
Mayer a. a. O. 275: Das Konkursverfahren im Deutschen Reich ist
nach Maßgabe des § 6 G. gegen die österreichisch= ungarischen Kriegsteilnehmer
nur auf deren Antrag zulässig oder auf ihren Antrag auszusetzen. Dies gilt
auch für das Konkursverfahren über inländisches Vermögen von österreichisch-
ungarischen Staatsangehörigen, die im Deutschen Neich weder eine ge-
werbliche Niederlassung noch einen allgemeinen Gerichtsstand haben (§5 238 KO.).