190 B. Geltendmachung von Ansprüchen während der Kriegszeit.
Auch der Wortlaut des Gesetzes bietet zu solcher Beschränkung an keiner Stelle
einen Anlaß. Es können sonach auch Ausländern, die im Deutschen Reich ihren
Wohnsitz haben, die in der Verordnung vorgesehenen Zahlungsfristen bewilligt
werden. Dies gilt nicht nur bezüglich der Angehörigen neutraler, sondern
grundsätzlich auch bezüglich der Angehörigen feindlicher Auslandsstaaten. Kriegs-
politische Erwägungen dürfen auf die Beantwortung nur dann von Einfluß sein,
wenr sie zugleich die wirtschaftliche Lage des Schuldners zuungunsten des Gläubigers
beeinflussen.
55. v. Harder, JW. 14 1135: Daß der Reichskanzler in Ausübung des
Vergeltungsrechts Angehörigen bestimmter Staaten gegenüber die Fristbewilligung
ausschließen kann, ist nicht zweifelhaft; aber gerade deshalb ist es, solange der
Wortlaut der VO. keine Anhaltspunkte gibt, nicht Sache der Gerichte, hierüber
allgemeine Erwägungen anzustellen. Wie steht es nun mit Personen, die
mehreren Staaten angehören, oder mit juristischen Personen, die in
mehreren Staaten ihren Sitz haben? Soll die staats= und völkerrechtlich
so bestrittene Frage der „sujets mixtes“, ohne daß der Wortlaut dazu veranlaßt,
in den Zivilprozeß getragen werden? Genügt es für den Ausschluß von der
Wohltat der VO., daß der Schuldner unter mehreren Staatsangehörigkeiten die
in einem feindlichen Staate besitzt? Wenn das der Bundesrat gewollt hätte,
hätte er Vorschriften darüber in die VO. ausgenommen. Hiermit soll nicht
gesagt sein, daß nicht zutreffende Erwägungen im einzelnen Falle mit Rücksicht
auf die Behandlung der Deutschen im Auslande zur Versagung der Stundung
führen können.
ee. Unger, Recht14 682: Die Staatsangehörigkeit des Schuldners
ist gleichgültig, da mangels ausdrücklicher — etwa im Wege einer Wiedervergeltung
getroffenen — Maßnahme Ausländer den Inländern in privatrechtlicher Beziehung
gleichstehen. Dies gilt sogar für Angehörige feindlicher Staaten.
E###mHirsch, W. 14 1003: An sich steht nichts im Wege, auch einem Aus-
länder eine gerichtliche Zahlungsfrist oder die Einstellung der Vollstreckung zu ge-
währen. Da aber lediglich das freie Ermessen des Gerichts über solche
Anträge entscheidet, so dürfte wohl die Gewährung im Einzelfalle davon ab-
hängig zu machen sein, daß unseren Landsleuten im feindlichen Ausland ein
ausreichender Rechtsschutz gewährt wird.
u. DJ3. 15 323, JW. 15 56, Hans GZ3# 15 Beibl. 57 Nr. 5, Recht 15 15
Nr. 163, 287, LeipzZ3. 15 154 Nr. 12, OLG. 30 251 (Hamburg): Die Bundes-
ratsverordnung gibt den Gerichten das Recht, nach ihrem Ermessen die Frist zu
bewilligen. Sie unterscheidet nicht, ob eine deutsche oder eine ausländische
Firma in Betracht kommt. Das Gericht hat die Interessen des Gläubigers und
des Schuldners abzuwägen und wird gegebenenfalls auch das Interesse dritter
Personen (anderer Gläubiger und Schuldner) in Betracht zu ziehen haben.
Hier kommt nur das Interesse der Beklagten in Betracht. Es kann nicht
angenommen werden, daß das Gesetz für die Abwendung wirtschaftlicher
Schäden der Angehörigen feindlicher Staaten sorgen wollte; es kann deshalb
nicht als angemessen angesehen werden, wenn das Gericht aus dem Grunde
den Angehörigen feindlicher Staaten Fristen bewilligen würde, weil die Bundes-
ratsverordnuug ihrem Wortlaute nach keinen Unterschied macht, welchem Staate
derjenige angehört, der die Frist erbittet. Solche Unterscheidung in der Ver-
ordnung war weder nötig noch praktisch, weil der Einzelfall zu beurteilen ist
und auch Fälle denkbar sind, in denen die Fristerteilung an die Angehörigen
eines feindlichen Staates dem Interesse eines Gläubigers eines nichtfeindlichen
Staates entspricht. Wo aber das Interesse nur auf seiten des feindlichen
Staatsangehörigen liegt, kann es nicht angebracht sein, eine Frist zu bewilligen.