460 Die päpfstliche Eurie.
so sehr wie Wir ein Interesse an der Ruhe der Gewissen haben, werden sie
diesen Mangel an Freiheit und Unabhängigkeit in der Ausübung Unseres apo-
stolischen Amtes in Erwägung ziehen. Denn wenn jeder Gläubige das Recht
hat, von der eigenen Regierung zu verlangen, daß sie seine persönliche Frei-
heit in Sachen der Religion schütze, so hat er es nicht weniger, von ihr den
Schutz der Freiheit Desjenigen zu verlangen, welcher sein Führer und der
Dolmetscher seines Glaubens ist. Außerdem ist es ein wahres Interesse aller
katholischen wie nichtkatholischen Regierungen, der großen katholischen Familie
Frieden und Ruhe zu verschaffen und Unsere wirkliche Unabhängigkeit zu unter-
stützen. Sie können nicht verkennen, daß, von Gott zur Vertheidigung der
Prinzipien ewiger Gerechtigkeit berufen, sie die gerechteste Sache der Welt be-
schützen müssen, in der Ueberzeugung, daß sie mit der Aufrechthaltung
der heiligen Rechte des römischen Pontifikats auch ihre eigenen
vertheidigen. Auch können sie nicht vergessen, daß das römische Pontifikat
und der päpstliche Thron, fern davon, ein Hinderniß der Ruhe und Wohlfahrt
Europa's oder für die Größe und Unabhängigkeit Italiens zu sein, immer
vielmehr ein Band der Einigung zwischen Völkern und Fürsten, ein gemein-
samer Mittelpunkt der Eintracht und des Friedens war; für Italien besonders
— auch das müssen Wir sagen — bildete es seine wahre Größe, den Schutz
seiner Unabhängigkeit, die fortwährende Vertheidigung und das Vollwerk seiner
Freiheit.“ (Hierauf folgen Gebete und Segensprüche.)
So viel bekannt geworden ist, findet sich keine europäische Regie-
rung veranlaßt, die Mittheilung Antonelli's zu beantworten.
24. Juni. Der Papst empfängt den deutschen Leseverein in Rom, nimmt
eine Adresse desselben entgegen und antwortet mit einem starken Aus-
fall gegen den deutschen Reichskanzler und der Hoffnung, daß sich „viel-
leicht bald das Steinchen von der Höhe loslöse, das den Fuß der
Kolosses (d. h. des deutschen Reiches) zertrümmere“.
„Vor Allem danke ich Euch für die Gefühle der Anhänglichkeit, die Ihr
mir ausgedrückt habt. Sie stimmen Überein mit denjenigen, wie sie mir von
allen Theilen Deutschlands ausgesprochen worden und die mir selber zu
immer größerer Ermuthigung und Erhebung dienen. In eben den jüngsten
Tagen empfing ich Mittheilungen aus Köln, Münster, Paderborn, aus Mün-
chen, Regensburg und vielen andern Diöbzesen Deutschlands; ich habe daraus
entnommen, daß die katholische Bevölkerung daselbst die Verlängerung meines
Lebens und meines Pontifikates an den jüngst verflossenen Jahrestagen mit
großen Festlichkeiten, öffentlichen Gebeten und vor Allem durch eifrigen Empfang
der heil. Sacramente begangen hat. Wohl, das ist ein Mittel, die Verfolgung
der Kirche zu hemmen. Was nun diese Verfolgung, wie sie jetzt in Eurem
Vaterlande ausgebrochen ist, angeht, so kämpft wider dieselbe mit Gebet, mit
Standhaftigkeit, in der Presse, in öffentlicher Rede; thut es mit ebenso viel
Besonnenheit als Festigkeit. Gott will, daß man die Landesobrigkeit achte und
ihr gehorche, allein er will auch, daß man die Wahrheit sage und den Irr-
thum bekämpfe. Wir haben es mit einer Verfolgung zu thun, die, von Weitem
vorbereitet, jetzt ausgebrochen ist; es ist der erste Minister einer mäch-
tigen Regierung, der nach seinen siegreichen Erfolgen im Felde sich an die
Spitze der Verfolgung gestellt hat. Ich habe ihm wissen lassen (und es soll
dieß kein Geheimniß sein; alle Welt mag es erfahren), daß ein Triumph ohne
Mäßigung von keiner Dauer ist, daß ein Triumph, der sich in einen Kampf
gegen die Wahrheit und die Kirche einläßt, der größte Wahnsinn ist. Ich habe
dem Premierminister sagen lassen, daß die Katholiken bis auf den heutigen
Augenblick gegen die deutsche Regierung von vollster Ergebenheit beseelt ge-
wesen, daß ich immer und immer wieder von den Bischöfen, von Priestern