Unfall-, Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung. 827
den Rückgang der Lohnsummen zu erwartende Steigerung der Umlagebeiträge
aufzubringen, die Umlage dadurch zu erleichtern, daß der nach § 743 der Reichs-
versicherungsordnung festzusetzende Rücklagezuschlag ermäßigt oder erlassen oder
auch die Inangriffnahme der Rücklage nach § 746 a. a. O. gestattet wird. Es
find nunmehr Grundsätze für die Beurteilung des Notfalles nach § 746 RVO.
aufgestellt, die den Berufsgenossenschaften mitgeteilt find.
Ein Erlaß des Reichsversicherungsamts vom 19. November 1914 betraf die
Fürsorge für die Angehörigen der durch den Krieg dienstbehinderten genossen-
schaftlichen Angestellten nach Ablauf der ersten drei Kriegsmonate. Hier
wurde angeregt, den Angehörigen verheirateter Angestellten nach Ablauf der
ersten drei Kriegsmonate das Gehalt auch weiterhin unverkürzt auszubezahlen,
dagegen anheimgegeben, den unverheirateten Angestellten das Gehalt sachgemäß
herabzusetzen, soweit nicht die einzelnen Dienstordnungen der Berufsgenossenschaften
noch günstigere Bestimmungen enthalten. Die Anregungen des Reichsversicherungs.
amts haben bei den Berufsgenossenschaften fast durchweg Verständnis gefunden,
insbesondere wird von der Ausübung des Kündigungsrechts bei verheirateten
Angestellten grundsätzlich abgesehen.
()) Invaliden-- und Hinterbliebenenversicherung.
D. 60: Aus dem Gebiete der Invaliden= und Hinterbliebenen-=
versicherung besonders ist noch folgendes anzuführen:
Hier bot besonders der § 1274 der Reichsversicherungsordnung den Ver-
sicherungsanstalten eine geeignete Handhabe zur Kriegsfürsorge. Nach dieser
Vorschrift können die Versicherungsanstalten mit Genehmigung der Auf-
sichtsbehörde Mittel aufwenden, um allgemein Maßnahmen zur Verhütung des
Eintritts vorzeitiger Invalidität unter den Versicherten oder zur Hebung der
gesundheitlichen Verhältnisse der versicherungspflichtigen Bevölkerung zu treffen;
die Genehmigung kann auch für Pauschbeträge erteilt werden.
Schon unter dem 3. August 1914 (Amtliche Nachrichten des RVA. 1914
S. 614) hat das Reichsversicherungsamt den seiner Ausfsicht unterstehenden
Landesversicherungsanstalten auf Grund des bezeichneten § 1274 gestattet, dem
Zentralkomitee vom Roten Kreuz zur Deckung des ersten Bedarfs für Maß-
nahmen zur Krankenpflege, zur Verhütung von Seuchen usw. je bis zu 10 000 M.
zur Verfügung zu stellen. Über die weiter zu ergreifenden Maßnahmen wurde
sodann in einer Konferenz vom 31. August 1914 beraten. Das Ergebnis der
Verhandlungen wurde am Schlusse dieser Konferenz, wie folgt, zusammengefaßt
und festgestellt:
„Infolge der Kriegslage sind weite Kreise der Bevölkerung in ihrer
wirtschaftlichen Lage stark bedrängt. Hieraus können auch den Landes-
versicherungsanstalten schwer belastende gesundheitliche Schädigungen erwachsen.
Die Landesversicherungsanstalten sind einmütig gewillt, an der Bekämpfung
dieser Schäden im weitesten Umfang mitzuwirken. Sie erklären sich auch
bereit, auf ausgleichende Maßnahmen zugunsten der durch den Krieg be-
sonders schwer betroffenen Anstaltsbezirke Bedacht zu nehmen.
Aus diesen Erwägungen hat man sich über folgende Leitsätze geeinigt:
1. Bei Aufwendungen der Anstalten muß jedenfalls dafür gesorgt werden,
daß die Anstalten liquide bleiben und die Aufwendungen nicht in unan-
gemessenem Verhältnis zu dem Vermögen stehen.
2. Als äußerste Grenze für Aufwendungen nach § 1274 der Reichsversicherungs-
ordnung mit Einschluß der Zinsausfälle bei Lombardierung von Wert-
papieren usw. wird der Betrag von 5 v. H. des Buchwerts des Gesamt
vermögens Ende 1913 zu gelten haben. Die Verwendung höherer