Full text: Kriegsbuch. Erster Band. (1)

72 A. Das Sonderrecht der Kriegsteilnehmer. 
klage des Vermieters trotz erfolgter Kündigung an den Kriegsteilnehmer gegen 
dessen Frau oder sonstige Angehörige auf Grund des Eigentums an den Miet- 
räumen für diese Fälle nicht damit begründet werden, daß die erwähnten Per- 
sonen als Besitzdiener gemäß § 985 BG#B. nicht passio legitimiert seien. 
In diesem Ergebnisse kann keine ungerechtfertigte Härte gegen die Frau oder 
eine sonstige Vertrauensperson des Kriegsteilnehmers erblickt werden; denn der 
nicht zu unterschätzende Vorteil liegt für diese Personen und den von ihnen 
vertretenen Kriegsteilnehmer darin, daß sie bei Verübung verbotener Eigen- 
macht der possessorischen Rechtsbehelfe zur Wiedererlangung oder zur Verhütung 
weiterer Störung des Besitzes sich bedienen können. Außerdem ist die Unvoll- 
streckbarkeit schon deshalb festzustellen, weil, wie Güthe sagt (oben 8) „die 
Näumung der Wohnung durch die Frau in allen Fällen zugleich die — mindestens 
teilweise — Räumung der Wohnung durch den Mann bedeuten würde und 
hierzu ein Räumungstitel gegen den Mann erforderlich wäre“. 
&. Mayer, WürttB. R. u. V. 7260: Der Anspruch auf Räumung der 
Wohnung durch mehrere Mitmieter und ebenso der Anspruch auf Heraus- 
gabe der Wohnung und Entfernung der Mietsachen (§ 985, 1004 BGB.) muß 
gegen sämtliche den Mitbesitz ausübenden Mitmieter gerichtet werden, widrigen- 
salls die Klage wegen fehlender Passivlegitimation abzuweisen ist. Weiterhin 
ergibt sich, daß über die Frage der Räumung nur einheitlich entschieden werden 
kann, weil jedenfalls über die Verpflichtung zur Ubertragung des Besitzes auf 
den Vermieter die Entscheidung gegen sämtliche Mieter nur einheitlich ausfallen 
kann. Es kann nicht gegen den einen allein, welcher hierzu gar nicht imstande 
wäre, auf Ubertragung des Besitzes an den Vermieter erkannt werden, gegen 
den anderen auf Abweisung der Klage. Im Prozesse sind demnach die mehreren 
Mieter hinsichtlich dieses Teiles des Räumungsanspruchs notwendige Streit- 
genossen. Der Räumungsanspruch gegen die Ehefrau eines Eingerückten 
hat demnach bis zum Endurteile folgendes Rechtsschicksal. Dadurch, daß der 
Ehemann infolge eines im § 2 G. v. 4. August 1914 erwähnten militärischen 
Verhältnisses die Wohnung verläßt, verliert er, wie keiner Ausführung bedarf, 
den Mitbesitz an der Wohnung nicht, ebensowenig den Alleinbesitz der von ihm 
seither besessenen Sachen. Der Krieg mag lange dauern, er stellt trotzdem eine 
seiner Natur nach vorübergehende Verhinderung in der Ausübung der tatsächlichen 
Gewalt dar (§ 856 Abs. 2 BG.). Beide Eheleute sind also nach wie vor 
Mitbesitzer der Wohnung, der Ehemann Besitzer seiner eigenen Sachen und, so- 
weit nicht das Gegenteil feststeht, der seiner Verwaltung unterliegenden, zum 
Gesamtgut oder zum eingebrachten Gute der Ehefrau gehörigen Sachen. Die 
Räumungsklage, ob sie nun auf den Mietvertrag oder auf §§ 985 ff. BGB. 
gestützt wird, muß deshalb gegen beide Eheleute eingereicht werden, 
widrigenfalls sie wegen mangelnder Passiolegitimation ab zuweisen ist. Die Ehe- 
leute sind im Prozesse notwendige Streitgenossen. Das Verfahren gegen 
beide ist ein einheitliches. Es wird daher gegen beide Eheleute unterbrochen. 
Selbst wenn die Ehefrau den Mietvertrag allein unterzeichnet haben sollte, 
bleibt das Ergebnis dasselbe, falls der Ehemann im Augenblicke des Einrückens 
mit der Ehefrau in der Wohnung zusammenlebte und infolgedessen Mitbesitz an 
der Wohnung hatte.. Ist die Chefrau nur Besitzdienerin, so ist sie weder 
zur Räumungsklage aus dem Mietvertrage noch zur Klage aus den §8§ 985 ff. 
passiv legitimiert. Beide Klagen können nur gegen den Besitzer gerichtet werden, 
nicht gegen den Besitzdiener. Zur Räumung gegen die Ehefrau würde also ein 
Vollstreckungstitel gegen den Ehemann genügen. Während des Kriegszustandes 
kann ein solcher wegen der Unterbrechung des Verfahrens gegen den eingerückten 
Ehemann nicht erstritten werden. Sollte schon vor dem Kriege ein rechtskräftiges
	        
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