Bekanntmachung, betr. Zahlungsverbot gegen England, vom 30. September 1914. 891
Aber mit Recht ist in weiten Kreisen unseres Volkes die Frage aufgeworfen
worden, ob wir den uns zugedachten Schlag einfach hinnehmen oder ob wir nicht
besser Vergeltung üben sollen. Immer allgemeiner ist ein Zahlungsverbot gegen
England verlangt worden.
Eine Bundesratsverordnung vom 30. September trägt dem Rechnung.
Man ging davon aus, daß es nicht angebracht wäre, wenn von deutscher
Seite noch weiterhin während des Krieges nach England gezahlt würde, während
wir von dort nichts zu erwarten haben. Es würde die Fortsetzung unserer
Zahlungen nach England nunmehr nicht nur eine wirtschaftliche Schädigung für
uns sein, sondern auch unserer nationalen Würde zuwiderlaufen. Hierbei ist die
Frage erhoben worden, ob man lediglich das sogenannte Gegenmoratorium England
gegenüber zu verstärken habe, in dem Sinne, daß der deutsche Schuldner sich
bis aus weiteres gegenüber dem englischen Gläubiger auf eine Stundung, einen
Zahlungsaufschub berufen könnte, oder ob man dem deutschen Kaufmann, der
Geld nach England schuldet, statt auf eine bloße Stundungseinrede nicht viel
mehr auf ein Verbot und damit auf eine Art höhere Gewalt verweisen solle,
wenn er England gegenüber die Zahlung verweigert. Ein bloßes materiellrecht-
liches Gegenmoratorium, eine bloße Inschutznahme des deutschen Schuldners
würde zweifellos eine genügende Vergeltungsmaßnahme nicht darstellen. Eine
solche Maßnahme würde auch allen den Schuldnern, welche tatsächlich in
ihrer Existenz abhängig sind vom englischen Kapital, von englischen Agenten,
keinen genügenden Schutz gegen diese gewähren. Es würde ferner, solange
Zahlung nach England geleistet werden darf, eine gewisse Unsicherheit, wie man
sich hinsichtlich der Zahlungsverpflichtungen zu verhalten habe, ähnlich wie unter
dem jetzigen prozessualen Gegenmoratorium, auch weiterhin bestehen bleiben, und
gerade diese Unklarheit der Verhältnisse wird von den Agenten der englischen
Gläubiger auf das rücksichtsloseste ausgebeutet.
Nur ein Zahlungs verbot, auf das sich der deutsche Kaufmann, der deutsche
Schuldner berufen kann, versetzt ihn in die richtige Stellung gegenüber seinem
englischen Gläubiger oder dessen Agenten.
Es ist nicht zu verkennen, daß es Fälle geben kann, wo Zahlungen nach
England eine Notwendigkeit sind, sei es, um dortigen Deutschen eine Unterstützung
zu gewähren, oder um deutsche Filialen in England zu unterstützen, sei es um
wirkliche Werte für unser nationales Vermögen zu erlangen oder sicherzustellen.
Solchen Sonderfällen trägt die Verordnung Rechnung, indem sie den Reichs-
kanzler ermächtigt, Ausnahmen zu bewilligen. Die Ausnahme bezüglich der
Unterstützung Deutscher in England ist in der Verordnung selbst ausgenommen
worden. Im übrigen erstreckt sich das Verbot auf jede Art der Zahlung oder
Uberweisung von Geld oder Wertpapieren nach England oder dessen Besitzungen,
gleichviel, ob die Zahlung direkt oder mittelbar auf dem Wege über ein neu-
trales Land erfolgt. Die wissentliche Zuwiderhandlung gegen das Verbot ist
mit Gefängnisstrafe bis zu drei Jahren und mit Geldstrafse bis zu 50000 M.
bedroht.
Selbstverständlich läßt dieses Zahlungsverbot das Recht des Gläubigers als
solches bestehen, die Schulden sind nicht erlassen, sondern nur bis auf weiteres
gestundet. Diese Stundung aber ist nicht nur für Geldforderungen ausgesprochen,
auf deren Erfüllung sich das Verbot beschränkt, sondern sie ist auf vermögens-
rechtliche Ansprüche aller Art ausgedehnt. Eine Verzinsung während der Dauer
der Stundung braucht nicht geleistet zu werden; soweit Zinsen für die Zeit vor
der Fälligkeit der Forderung geschuldet werden, laufen sie bis zur Füälligkeit
weiter. Die Protesterhebung wird bei Wechseln, die unter das Zahlungsverbot fallen,
solange die Verordnung in Kraft ist, hinausgeschoben. Hat der Schuldner ein