910 G. Vergeltungsmaßregeln.
Erstattung vorausgezahlter Prämien und Regelung schwebender Schäden sich
entwickelte und daß diese vorzeitige Liquidation vielleicht mit einem großen
Gewinne der Unternehmungen endete. Wären aber auch diese Schwierigkeiten
vielleicht, insbesondere etwa seitdem die Bekanntmachung vom 22. Dezember 1914
(Reichs-Gesetzbl. S. 556) die Möglichkeit der Zwangsverwaltung gab, zu über-
winden gewesen, so blieben immer noch die technischen Übelstände. Da das Neu-
geschäft, einschließlich der Verlängerung bestehender Versicherungen, den englischen
Gesellschaften abgeschnitten war, nahmen ihre Versicherungsbestände die Eigenschaft
von absterbenden, in der Abwickelung begriffenen an. Die Nachteile eines solchen
Zustandes — mangelhafter Gefahrenausgleich, Unregelmäßigkeit des Schaden-
verlaufes, Gefahr des Leerausgehens für die am längsten laufenden Versicherungen,
hoher Verwaltungskostensatz usw. — sind der Versicherungspraxis wohl bekannt.
Diese Folgen waren schon unabwendbar, wenn es gelang, die einzelnen Bestände
bis zum natürlichen Ablaufe der Verträge zusammenzuhalten, sie mußten sich
aber auf das bedenklichste steigern, wenn ein allgemeines Rücktrittsrecht gewährt
wurde. Ein solches konnte, insbesondere im Hinblick auf die durch den Kriegs-
ausbruch gegebenen Umstände, nur zu einem regellosen Zerfalle, keineswegs aber
zu einer glatten Auflösung der Versicherungsbestände führen. Um sich hierüber
klar zu sein, braucht man nur an die Millionen von Kriegsteilnehmern und an
die zahlreichen durch den Kriegsausbruch im Auslande zurückgehaltenen Personen
zu denken, ganz abgesehen von der erfahrungsmäßig nicht geringen Zahl derjenigen,
zu deren Kenntnis behördliche Anordnungen wie die in Rede stehende nicht oder
nur verspätet gelangen, oder die gar nicht wissen, daß sie bei einer ausländischen
Unternehmung versichert sind, oder bei denen sonst Umstände vorliegen, die sie
an der rechtzeitigen Wahrnehmung ihrer Interessen hindern. Das Ergebnis wäre
also gewesen, daß der größere Teil der Versicherten anderweit Versicherung
genommen hätte, vermutlich vielfach unter doppelter Prämienzahlung für eine
längere oder kürzere Zeitspanne, während der zurückbleibende Teil um so mehr
gefährdet gewesen wäre, als er naturgemäß eine größere als die durchschnittliche
Zahl schwerer Risiken eingeschlossen hätte; um die guten Risiken hätten sich
andere Gesellschaften beworben, die schlechteren hätten nicht oder nur unter
Opfern ein Unterkommen gefunden. Unerfreuliche Konkurrenzstreitigkeiten, zahlreiche
Prozesse, vermutlich auch Pfändungen, Arrestschläge, Konkurse wären nicht zu
vermeiden gewesen. Die vorstehenden Gesichtspunkte sind es, welche von jeher
im Falle der plötzlichen Einstellung eines Versicherungsbetriebs die Übernahme
des gesamten Bestandes durch einen anderen Versicherer als das beste Mittel zur
vollen Wahrung der Interessen aller Versicherten haben erscheinen lassen.
Zu einer solchen Gesamtübernahme aber haben die Maßnahmen des Kaiser-
lichen Aufsichtsamts für Privatversicherung den Weg gewiesen. Das Aussichtsamt
hat unmittelbar nach dem Kriegsausbruch, als die inländischen Niederlassungen
plötzlich von den ausländischen Stammgeschäften abgeschnitten und nur auf sich
selbst gestellt waren, die Vertreter der englischen Sachversicherungsgesellschaften
aufgefordert, zur Vermeidung weiterer aufsichtlicher Schritte unverzüglich für eine
genügende Sicherstellung der Ansprüche ihrer deutschen Versicherten Sorge zu
tragen; unverkennbar war bei allen diesen Unternehmungen, die zusammen
Milliarden deutschen Volksvermögens in Deckung hatten, mit dem Wegfall des
Zugriffs auf ihr ausländisches Vermögen eine gewisse Verminderung der Gewähr-
leistungsmittel eingetreten, die wenigstens bei einem Teile der Unternehmungen
als eine wesentliche bezeichnet werden konnte. Dieser lediglich im Interesse des
Schutzes der deutschen Versicherten unternommene Schritt war ebenso Recht wie
Pflicht der Aufsichtsbehörde. Die Frage, auf welche Weise die Versicherten
möglichst schnell ihre Vertragsbeziehungen zu den englischen Versicherern lösen