Full text: Kriegsbuch. Erster Band. (1)

912 G. Vergeltungsmaßregeln. 
wäre, nicht auch der Abschluß eines Haftungsvertrags als eine Verstärkung der 
Erfüllungsmittel des bisherigen Versicherers — nicht etwa als Zwang zur An- 
nahme eines anderen Schuldners — zu berücksichtigen sein würde. Daß die den 
inländischen Niederlassungen der englischen Gesellschaften gegenüber eingegangenen 
geschäftlichen Verpflichtungen in den Verordnungen vom 7. August, 4. und 
30. September 1914 (Reichs-Gesetzbl. S. 360, 397 und 421) aksichtlich nicht 
angetastet worden find, steht außer Frage. 
  
V. Zur Frage eines Forderungsausgleichs gegenüber dem 
feindlichen Ausland. 
D. N. I 86: Die Frage einer Flüssigmachung der während des 
Krieges uneinbringlichen, im feindlichen Ausland festliegenden 
deutschen Guthaben bildete den Gegenstand zahlreicher Eingaben und Vor- 
schläge. Die Mehrzahl von ihnen zielt auf eine Heranziehung der hier befind- 
lichen feindlichen Guthaben zugunsten der deutschen Auslandguthaben ab. Während 
ein Teil unserer wirtschaftlichen Kräfte, insbesondere des Exporthandels, durch 
das Festliegen seiner Guthaben in Feindesland von seiner natürlichen Einnahme- 
qduelle abgeschnitten ist und doch gleichzeitig seinen inländischen Verpflichtungen 
nachkommen muß, genießt umgekehrt ein anderer Teil, die Schuldner des feind- 
lichen Auslands, infolge der tatsächlichen und rechtlichen Zahlungssperre die 
Wohltat einer zinslosen Stundung. Hier liegt der Gedanke nahe, sich der 
feindlichen Guthaben als einer Art Pfand zu bedienen für unsere in dem feind- 
lichen Lande festliegenden Guthaben und sich womöglich in irgendeiner Form 
während des Krieges aus diesem Pfande zu befriedigen. 
Es hat — insbesondere in den ersten Monaten des Krieges — nicht an 
Stimmen gefehlt, die einen allgemeinen zwangsweisen Ausgleich der deutschen 
Guthaben und Schulden gegenüber jedem der feindlichen Länder im Wege der 
Aufrechnung als einfachste und beste Lösung empfahlen. Es wurde vorgeschlagen, 
zu diesem Zwecke eine Zentralstelle für den Forderungsausgleich zu errichten, 
etwa nach dem Muster der sogenannten englischen Clearinghäuser. An diese 
Zentralstelle seien, mit befreiender Wirkung für den Schuldner, alle Zahlungen 
zu bewirken, die dem feindlichen Ausland geschuldet würden. Die eingegangenen 
Beträge seien den deutschen Gläubigern des betreffenden feindlichen Landes zur 
Verfügung zu stellen. Die Zentralstelle vereinige so in sich die Forderungen und 
Schulden. Nach dem Kriege erfolge die Abwickelung des Ausgleichs mit dem 
feindlichen Lande, indem man sich vorbehalte, die diesem geschuldeten Beträge, 
die man zur Befriedigung deutscher Gläubiger verwendet habe, nunmehr den 
feindlichen Gläubigern zu bezahlen, und zwar nach Maßgabe und in dem Umfang 
der Beträge, die bei der deutschen Zentralstelle von den feindlichen Schuldnern 
eingingen. So werde an der Berichtigung der deutschen Guthaben der feindliche 
Staat selbst interessiert. 
Die Unsicherheit der Grundlagen dieses Verfahrens, die Zweifelhaftigkeit 
seiner Durchführbarkeit und Abwickelung, und schließlich die Fragwürdigkeit des 
volkswirtschaftlichen Gewinns konnte bei näherer Prüfung nicht verkannt werden. 
Mit der Zeit ist dieser unter dem Schlagwort des sogenannten „allgemeinen 
Zwangsclearings“ bekanntgewordene Vorschlag auch von seinen ursprünglichen 
Vertretern immer mehr fallen gelassen worden. 
Für die Befriedigung deutscher Gläubiger aus den Guthaben englischer 
Gläubiger — um dieses Beispiel zu gebrauchen — würde zwar für das inlän- 
dische Recht eine Grundlage geschaffen werden können, nach außen würde sie 
jedoch rechtlich in der Luft schweben, sofern nicht mit einer Anerkennung dieses
	        
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