Full text: Kriegsbuch. Erster Band. (1)

Zur Frage eines Forderungsausgleichs gegenüber dem feindlichen Ausland. 913 
Verfahrens seitens des feindlichen Staates mit Sicherheit gerechnet werden kann. 
Mangels einer solchen Anerkennung verbietet schon die Rücksicht auf das im 
Ausland befindliche ausländischer Gerichtsbarkeit unterworfene Vermögen deutscher 
Schuldner, die so zu nochmaliger Bezahlung ihrer Schuld gezwungen werden 
können, die Verwirklichung des Vorschlags. Mangels einer solchen Anerkennung 
müßten sich aus der durch den Ausgleich geschaffenen Sachlage unübersehbare 
Schwierigkeiten und Nachteile ergeben, sobald eine in Inanspruchnahme der 
Zentralstelle, die die einheitliche Schuldnerin des feindlichen Auslandes geworden 
wäre, in Frage käme. Aber auch im Falle einer grundsätzlichen Anerkennung 
müßte doch die Abwickelung des Ausgleichs mit dem Ausland praktisch in un- 
zähligen Fällen zu Schwierigkeiten, insbesondere zu Rückgriffen der Zentralstelle 
gegen die im voraus befriedigten Gläubiger führen. Es liegt in der Natur der 
Dinge, daß, wenn auch gutgläubig, viel mehr Forderungen von Gläubigern gegen 
die Zentralstellen geltend gemacht würden, als sich nachher als begründet oder 
als betreibbar herausstellen. 
Diese Bedenken lassen sich auch durch die gründlichste Prüfung der zur Be- 
friedigung angemeldeten Forderungen, welcher Stelle man auch dieses Geschäft 
übertragen wollte, nicht vermeiden, denn es erhellt, daß eine Prüfung, des Rechts- 
bestandes und der Güte der Forderungen lediglich nach den Angaben und Büchern 
des Gläubigers in der Mehrzahl der Fälle letzten Endes unmöglich ist; bei einer 
sachgemäßen strengen Prüfung würden schließlich nur die Forderungen Berücksichti- 
gung finden können, die wegen ihrer ganz unzweifelhaften Sicherheit und Güte 
auch anderweit schon jederzeit bevorschußt werden, für die ein Bedürfnis in der 
Richtung des Clearingverfahrens also nicht besteht. 
Aber selbst wenn man sich über all diese Bedenken, die gegen die Zulässig- 
keit und technische Ausführbarkeit des sogenannten allgemeinen Ausgleichsverfahrens 
erhoben werden müssen, hinwegsetzen könnte, und ein so aufs Ungewisse gegründetes 
wirtschaftliches Unternehmen mit dem zu seiner Inangriffnahme erforderlichen 
ungeheuren Apparat verwirklichen wollte, so müßte doch der volkswirtschaftliche 
Nutzen eines solchen Verfahrens ernstlich bezweifelt werden. Die erreichte Be- 
friedigung deutscher Gläubiger des feindlichen Auslandes würde sich ja ausschließ- 
lich auf Kosten der deutschen Schuldner des feindlichen Auslandes vollziehen. Diesen 
müßte die Stundung, die sie infolge des Kriegszustandes tatsächlich, und infolge 
der Zahlungsverbote gegen das feindliche Ausland auch rechtlich genießen und 
die sie bei ihren wirtschaftlichen Maßnahmen in Rechnung ziehen durften, wieder 
entzogen werden; und dies ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Bedürfnisse und 
in rein schematischer Weise. Denn es wäre doch völlig willkürlich, wollte man 
annehmen, daß die Gläubiger ausländischer Schulder des ihnen geschuldeten Geldes 
dringender bedürften, als die Schuldner ausländischer Gläubiger, die zur Zeit die 
Stundung genießen. Mangels einer rechtlichen Beziehung zwischen beiden Klassen 
ist ein ausreichender Grund für eine derartige schematische Verschiebung der in 
Frage stehenden Summen von einer Klasse von deutschen Interessenten auf die 
andere nicht ersichtlich. Mit Recht würden die deutschen Schuldner gegen ein 
solches Vorgehen Einspruch erheben können. Ein volkswirtschaftlicher Gewinn aber 
wäre für die Allgemeinheit aus der im Inland vorzunehmenden Verschiebung des 
Kapitals nicht zu erhoffen. 
Es ist verschiedentlich versucht worden, durch Beseitigung einzelner, besonders 
in die Augen fallender Fehler, die dem Gedanken des allgemeinen Forderungs- 
ausgleichs anhaften, den grundsätzlichen Gedanken einer Befriedigung deutscher 
Guthaben aus Guthaben des feindlichen Auslandes zu verbessern. 
Das Moment des Zwanges gegen die deutschen Schuldner, die Entziehung 
der Stundung, sollte insbesondere ersetzt werden durch Gewährung von Rabatt 
Kriensjahr buch. 58
	        
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