914 G. Vergeltungsmaßregeln.
für den freiwillig zahlenden Schuldner. Der Schuldner solle durch Zahlung einer
um einen entsprechenden Rabatt gekürzten Schuldsumme sich von der Schuld
befreien können; eine Befriedigung aus den eingehenden Beträgen solle solchen
Gläubigern zuteil werden, die sich ihrerseits mit einer Kürzung ihrer Forderung,
etwa in doppelter Höhe des Rabatts, zufrieden geben.
Die oben dargelegten Bedenken, die gegen jedes Ausgleichsverfahren gelten,
das von der zivilrechtlichen Grundlage für eine Befriedigung des einzelnen Gläubigers
im Wege der Verrechnung absieht, wie auch die Bedenken hinsichtlich der Prüfung
der zu befriedigenden Forderungen, müssen auch gegen einen derartigen Vorschlag
in vollem Umfang erhoben werden. Es muß aber, von diesen Bedenken ganz
abgesehen, einleuchten, daß ein derartiger freiwilliger Ausgleich, auch wenn recht-
lich eine Grundlage für ihn geschaffen würde, doch in Wirklichkeit nicht vollzogen
würde. Es würde zwar die große Mehrzahl aller Auslandsgläubiger sich melden
und sich mit einer Kürzung ihrer Ansprüche zufrieden geben, sofern sie jetzt zu
einer Befriedigung ihrer Guthaben gelangen könnten — aber an Schuldnern, die
der ihnen gewährten zinslosen Stundung eine sofortige Zahlung mit Abzug eines
Rabatts vorziehen würden, würde es vermutlich mangeln.
Auch gegen den Vorschlag, an Stelle einer Befriedigung der deutschen Gläubiger
durch die Zentralstelle eine bloße Bevorschussung der deutschen Guthaben aus
den dem feindlichen Ausland zustehenden inländischen Guthaben
treten zu lassen, sind die gleichen Bedenken, wie oben dargelegt, zu erheben.
Man wird den Ausgleichsgedanken in allen seinen Ausführungsformen, soweit
er Guthaben des feindlichen Auslandes den deutschen Gläubigern des feindlichen
Auslandes ohne Rücksicht auf ein anderweit bestehendes rechtliches Verhältnis
zwischen diesen Gläubigern und jenen Schuldnern zur Befriedigung während
des Krieges zur Verfügung stellen will, als verfehlt bezeichnen müssen.
Damit ist jedoch nicht gesagt, daß nicht der diesem Vorschlag zugrunde liegende
Gedanke, daß alle feindlichen Guthaben bei uns, wie auch sonstiges feindliches
Vermögen im Inland, als eine Art Pfand für die deutschen Guthaben in Feindes-
land anzusehen ist, berechtigt wäre. Nur die willkürliche Verwertung dieses
Pfandes im jetzigen Augenblick und zugunsten von Einzelpersonen erscheint unzu-
lässig. Das Pfand soll nicht Einzelnen jetzt zur Befriedigung überantwortet
werden — es müßte hier eine Konkurrenz von Ansprüchen befürchtet werden,
die mit einem gleichmäßigen und gerechten Ausgleich nichts gemein haben würde —,
sondern das Vermögen, die Guthaben des feindlichen Auslandes haften für die
Gesamtheit jener deutschen Ansprüche, und haben als zugunsten der Gesamtheit
mit Beschlag belegt zu gelten. Es bleibt demgemäß vorbehalten, von diesem
Pfande zu geeigneter Zeit den geeigneten Gebrauch zu machen. Durch vorzeitige
und mehr oder weniger willkürliche Einzelzugriffe auf dasselbe würde zweifellos
zugunsten der Gesamtheit weit mehr verloren als gewonnen.
Uber die Vorbereitungen für eine Hereinziehung der Guthaben des feindlichen
Auslandes zu dem Zwecke der Geltendmachung als Pfand für die Gesamtheit
der Ansprüche deutscher Gläubiger des feindlichen Auslandes sind die Verhand-
lungen noch nicht abgeschlossen.
Dabei werden die Bedürfnisse, die aus der gegenwärtigen Lage den deutschen
Auslandsgläubigern erwachsen, keineswegs für jetzt zurückgesetzt. Nur der Weg
des Ausgleichsverfahrens muß als für ihre Vefriedigung ungeeignet bezeichnet
werden. Für die tatsächlichen Bedürfnisse des Einzelfalls, insbesonderen die Kredit-
bedürfnisse des deutschen Auslandsgläubigers, wird in anderer Weise Sorge ge-
tragen. Der gegebene Weg ist die Bevorschussung dieser Guthaben — nicht mit
Mitteln, die auf Kosten ausländischer Gläubiger bzw. ihrer deutschen Schuldner
willkürlich beigetrieben werden — sondern auf dem Wege der bestehende Kredit-