Bekanntmachung zur Entlastung der Gerichte vom 9. September 1915. 503
Auwaltshilfe nicht entraten können. Im einzelnen dürfte deshalb Erstattungsfähigkeit
anzunehmen sein:
1. wenn die Partei nicht im Amtsgerichtsbezirke wohnt. Einen Winkelkonsulenten
oder ein Einziehungsbureau mit der Vertretung zu betrauen, kann man ihr nicht zumuten;
daß sie gefällige Geschäftsfreunde oder Verwandte am Orte habe, ist in der Regel nicht
anzunehmen; eine Reise zum Termine oder zu mehreren Terminen würde aber mehr
erstattungsfähige Parteiauslagen verursachen, als die Anwaltskosten der ersten beiden
Wertsklassen ausmachen;
2. auch sonst in allen Fällen, wo die persönliche Terminswahrnehmung annehmbar
annähernd dieselben Kosten verursachen würde, als eine Anwaltsvertretung, namentlich
also bei eigenem Erwerbsverlust;
3. wenn aus Rücksichten des Berufs (als Lehrer, Privatbeamter u. dgl.) der Partei
der mit Abwartung einer Reihe von Terminen verbundene Zeitverlust nicht zugemutet
werden kann;
4. wenn die Rechtslage für Laien undurchsichtig ist oder sonst die Prozeßführung
sich so schwierig gestaltet, daß nach billigem Ermessen eine rechtskundige Unterstützung
geboten erscheint.
Aus dem zu 1 aufgestellten Grundsatz folgt, daß bei verschiedenem Wohnsitz der
Parteien regelmäßig der Kläger, wenn er im ordentlichen Gerichtsstand des Beklagten
klagt, sich unbedenklich der Anwaltshilfe bedienen kann, während der Beklagte auf den
Beistand eines solchen verzichten muß, weil er auch im Falle des Obsiegens dessen Kosten
selbst tragen müßte. Diese schwere Härte für die Beklagten kann nur dann behoben werden,
wenn man sich zu dem Grundsatz entschließt, daß das Auftreten eines Anwalts für die
Gegenpartei stets die Annahme eines eigenen Anwalts als zur zweckmäßigen Rechts-
verfolgung notwendig erscheinen läßt, denn andernfalls ist die Laienpartei stets zu einem
Kampfe mit ungleichen Waffen verurteilt.
Hieraus folgt, daß der Wegfall der Erstattungspflicht nur bei einem beschränkten
Teile aller Sachen stattfinden wird, nämlich nur bei solchen mit einfachem, vor-
aussichtlich in einem oder wenigen Terminen zu erledigenden Streit-
stand zwischen ortsansässigen Parteien. Zustimmend Levin, Gruchots Beitr. 60 24 8.
). Feuchtwanger, BayRpfl . 16 30. Wenn jemand durch Einberufung daran ge-
hindert ist, sein Recht selbst gerichtlich zu verfolgen, ist die Bestellung eines Anwalts zur
zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in der Regel notwendig. Nur ausnahmsweise
wird dem einberufenen Gläubiger zuzumuten sein, die Vertretung seiner Rechtsangelegen-
heit einer anderen Person als einem Anwalt zu übertragen.
5. Kaufmann a. a. O. 1238. Soviel, wie die Partei nach § 91 38PO. bei persön-
licher Wahrnehmung der Termine zu beanspruchen hätte, wird dem Anwalt nach rich-
tiger Ansicht stets zuzubilligen sein.
s. Langenbach, Recht 16 36. Der durch § 7 RAeb. begründete Gebührenan-
spruch der RA. in eigenen Sachen wird durch die Bek. nicht berührt. Die Bek. wendet sich
gegen unnötige Annahme eines Anwalts. Im Falle des § 7 entstehen jedoch die Kosten
ohne Willen der Partei kraft Gesetzes; ebenso Feuchtwanger, Baympfl B. 16 30.
c) Prüfung im Mahnverfahren.
a. Sinsheimer, Baypfl Z. 16 9. §F 19 findet auch auf das Mahnverfahren An-
wendung, ebenso Dittrich, DRZ. 16 56; a. M. Stammler, DJ3. 15 751.
6. Zelter a. a. O. 1235. In welcher Form der Richter beim Mahnverfahren die Er-
stattungsfähigkeit zu prüfen und seine Entscheidung mitzuteilen hat, darüber schweigen
Gesetz und Begründung. Wollte man den Erstattungsanspruch nach § 691 8 PO. als Teil
des Anspruchs ansehen, so müßte der Gläubiger gehört, eventuell Termin angesetzt werden,
was eine Verlangsamung nach sich ziehen würde, insbesondere dann, wenn die Klage
vor einem vom Wohnort des Gläubigers entfernten AG. erhoben wird, wo gerade im
ordentlichen Prozeß auch beim Versäumnisverfahren die Vertretung durch den Anwalt