Full text: Kriegsbuch. Zweiter Band. (2)

Bekanntmachung zur Entlastung der Strafgerichte v. 7. Oktober 1915. 521 
II. Die Entlastung der Strafgerichte. 
(. hierzu Bd. 1, 744.) 
Bekanntmachung zur Entlastung der Strafgerichte. 
Vom 7. Oktober 1915. (Rl. 631.) 
Der Bundesrat hat folgende Verordnung erlassen: 
§ 1. Bei Vergehen gegen Vorschriften, die auf Grund des § 3 des Gesetzes 
über die Ermächtigung des Bundesrats zu wirtschaftlichen Maßnahmen usw. vom 
4. August 1914 (R#l. 327) ergangen sind oder noch ergehen und keine schwerere 
Strafe als Gefängnis bis zu einem Jahre oder Geldstrafe, allein oder in Verbindung 
miteinander oder mit Nebenstrafen, androhen, kann die Strafe durch Strafbefehl 
des Amtsrichters festgesetzt werden. 
Das gleiche gilt bei Vergehen, die nach § 9 Buchstabe b des preußischen Gesetzes 
über den Belagerungszustand vom 4. Juni 1851 (Preußische Gesetzsamml. S. 451) 
oder Artikel 4 Nr. 2 des bayerischen Gesetzes über den Kriegszustand vom 5. No- 
vember 1912 (Bayerisches Gesetz= und Verordnungsblatt S. 1161) strafbar sind. 
§ 2. Sachen, in denen gemäß § 1 der Antrag auf Erlaß des Strafbefehls ge- 
stellt ist, gelten als zur Zuständigkeit der Schöffengerichte gehörig. Auf das Ver- 
fahren finden die §§ 447 bis 452 der Strafprozeßordnung mit der Maßgabe An- 
wendung, daß der Antrag auf Erlaß des Strafbefehls von dem Staatsanwalte 
zu stellen ist 
§ 3. Der Staatsanwalt kann für Vergehen, die zur Zuständigkeit der Straf- 
kammern gehören, vorbehaltlich der Vorschrift im § 74 des Gerichtsverfassungs- 
gesetzes, die Zuständigkeit des Schöffengerichts dadurch begründen, daß er bei 
Einreichung der Anklageschrift die Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Schöffen- 
gerichte beantragt. Die Anklageschrift ist bei dem Amtsrichter, wenn Vorunter- 
suchung geführt war, bei dem Landgericht einzureichen. 
Die Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Schöffengerichte soll nur dann 
beantragt werden, wenn keine schwerere Strafe als Gefängnis von sechs Monaten 
oder Geldstrafe von eintausendfünfhundert Mark, allein oder in Verbindung 
miteinander oder mit Nebenstrafen, und keine höhere Buße als eintausendfünf- 
hundert Mark zu erwarten ist. 
Erhebt bei Vergehen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Ab- 
gaben und Gefälle die Verwaltungsbehörde die öffentliche Klage, so kann sie die 
Zuständigkeit des Schöffengerichts in gleicher Weise begründen wie der Staats- 
anwalt. 
§ 4. Diese Verordnung tritt am 11. Oktober 1915 in Kraft; sie tritt an die 
Stelle der Verordnung über Zulassung von Strafbefehlen bei Vergehen gegen 
Vorschriften über wirtschaftliche Maßnahmen vom 4. Juni 1915 (RBl. 325). 
Der Bundesrat bestimmt, wann und in welchem Umfang sie außer Kraft tritt. 
Während der Geltungsdauer des § 3 sind Anträge auf Überweisung nach § 75 
des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht zulässig. 
  
Begründung. (D. N. VI 108.) 
Das Siel einer Entlastung der ordentlichen Gerichte verfolgt die auf Grund des 
§5 des sog. Ermächtigungsch. ergangene Zekanntmachung vom 2. Oktober 1015 
(&OBl. 651). Sie sucht zunächst auf dem Wege, den schon die Derordnung über Su- 
lassung von Strafbefehlen usw. vom 4. Juni 1015 (RE#l. 325) eingeschlagen hat, eine 
weitere Derminderung der Spruchsitzungen herbeizuführen, indem sie das Strafbefehls- 
verfahren auch bei Dergehen gegen die von den Militärbefehlshabern auf Grund des 
Kriegszustandes erlassenen Derbote und Anordnungen zuläßt (89 1, 2). Diese Ande- 
rung der Derfahrensvorschriften entspricht einem Beschlusse des Reichstags (Sten B.
	        
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