Gesetz über die Feststellung von Kriegsschäden im Reichsgebiete vom 3. Juli 1916. 647
18. Soweit in einem reichs= oder landesrechtlich geordneten Vorentschädi-
gungsverfahren Kriegsschäden bis zum Betrage von eintausendfünfhundert Mark im
Wege der Einigung mit dem Geschädigten festgestellt sind oder werden, behält es
hierbei sein Bewenden. . . .
19. Soweit Kriegsschäden der in diesem Gesetze bezeichneten Art vor dem In-
trafttreten dieses Gesetzes in einem reichs= oder landesrechtlich geordneten Vor-
entschädigungsverfahren angemeldet sind, gilt dies als Feststellungsantrag im Sinne
des & 5 dieses Gesetzes. ·
8 20. Die Feststellung der innerhalb der Hoheitsgrenze des Reichs eingetre-
zenen Schädigungen der Seeschiffahrt unterliegt nicht den Vorschriften dieses
Gesetzes. .
Hei 321. Der Ersatz für die durch den Krieg verursachten Beschädigungen an Leib
und Leben wird, unbeschadet bestehender gesetzlicher Vorschriften, durch besonderes
Reichsgesetz geregest. „ . . .
Zur Sicherung des Beweises für Beschädigungen der im Abs. 1 bezeichneten
Art hat das Amtsgericht auf Antrag die Einnahme des Augenscheins und die Ver-
nehmung von Zeugen und Sachverständigen anzuordnen, wenn zu besorgen ist,
daß das Beweismittel verloren oder die Benutzung desselben erschwert werde. Zu-
ständig ist das Amtsgericht, bei dem der Beschädigte zur Zeit der Beschädigung
seinen allgemeinen Gerichtsstand hatte. Auf die Beweisaufnahme finden die Vor-
schristen über die Beweisaufnahme in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten entsprechende
Anwendung. Das Verfahren ist kosten= und gebührenfrei.
Berechtigt, den Antrag zu stellen, ist der Beschädigte sowie jeder, zu dem der
Beschädigte zur Zeit der Beschädigung in einem Verhältnis stand, vermöge dessen
er diesem gegenüber unterhaltspflichtig war oder unterhaltspflichtig werden konnte.
§ 22. Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Oktober 1916, & 21 Abs. 2, 3 jedoch mit dem
Tage der Verkündung I11. 7.1 in Kraft.
Urkundlich usw.
1. Begründung.
Im §& 55 des Kriegsleistungsgesetzes vom 13. Juni 1875 — 20 Bl. 120 — ist die
Regelung der Entschädigung für die durch den Krieg verursachten Beschädigungen an
beweglichem und unbeweglichem Eigentum durch ein jedesmaliges besonderes Reichs-
gesetz in Aussicht gestellt.
Da der Inhalt eines solchen Entschädigungsgesetzes wesentlich von der Finanz-
lage des Reichs nach Beendigung des MKrieges abhängig ist, kann es erst nach Kriegs=
ende erlassen werden. .
Die durch den Einfall der feindlichen Heere in den Grenzgebieten im Osten und
Westen des Reichs verursachten umfangreichen Kriegsschäden und die Herstörungen
und Beschädigungen, welche durch feindliche Klugzeuge innerhalb des Reichs veranlaßt
worden sind, haben die Regierungen der Bundesstaaten vor die Notwendigkeit gestellt,
Mabßnahmen zur Beseitigung der in den betroffenen Gebieten entstandenen Schäden
zu treffen. Mamentlich mußte Hreußen, sobald die Möglichkeit dazu vorlag und ein
erneuier Einbruch des Feindes im Osten ansgeschlossen erschien, dazu schreiten, die
Wiederberstellung der zum großen Teil vernichteten Hrovinz Ostpreußen in Angriff
zu nehmen, um der Mot der Bewohner zu steuern und das an sich äußerst produktive
Gebiet für die Dersorgung des Landes wieder nutzbar zu machen.
Ostpreußen war in diesem Kriege zweimal durch den Einfall des Feindes heim-
gesucht worden. Der erste Russeneinfall begann am 24. Aug. 14 und endete durch die
siegreichen Schlachten bei Tannenberg und an den Masurischen Seen Mitte Sept. 16;
er war von verhältnismäßig kurzer Daner. Der zweite Russeneinfall dauerte über den
Winter und wurde erst durch die sogenannte Winterschlacht in Masuren im Febr. 15
beendet. Mamentlich während dieses Einfalls der Russen war die Hrovinz Gstpreußen