Gesetz über die Feststellung von Kriegsschäden im Reichsgebiete vom 3. Juli 1916. 659
perfahren nicht auch ferner im Interesse der Sache gelegen sei. Dazu sprach ein Re-
gierungskommis sar für das Königlich Hreuß. Fin Min. dessen Auffassung dahin aus:
wenn Hreußen weiterhin selbständig vorgegangen wäre — was einer der Vor-
redner erst angeregt habe —, so hätte es die Erledigung der Sache allerdings einfacher
gehabt. Die preußische Regierung sei sich aber klar gewesen, daß der Weg einer Sonder-
regelung ohne Reichstag nicht gangbar war, da bei einer solchen die Gefahr vorgelegen
hötte, daß das Reich demnächst sich weigerte, für die ohne seine Mitwirkung durch-
geführte Aktion nachträglich mit Reichsmitteln einzutreten, oder die bei den Schadens-
festhellungen befolgten Grundsätze verwarf und neue Fesüstellungen oder die nach-
trägliche Aussonderung gewisser Schadensbeträge nach anderen Grundsätzen forderte,
was zu den größten Schwierigkeiten führen müßte. Hreußen habe ein Interesse daran,
von den unverbindlichen Vorermittlungen loszukommen. Daher sei ein Reichsgesetz
notwendig. In Hreußen hätten die Schadensfragen dem Landtag bereits vorgelegen,
dann seien sie im Bundesrat besprochen worden, daher die gegenwärtige Dorlage. Die
Komm, des Reichstags sei nun die dritte Instanz zur Hrüfung der Sache. In Hreubßen
würden mit Snstimmung des Landtogs nach Maßgabe des Bedürfnisses für den Wieder-
aufbau Dorentschädigungen gezahlt, worüber die näheren Bestimmungen in dem der
vorlage beigegebenen Erlaß des Staatsministeriums enthalten seien.
Den Dorwurf, das Reich weigere sich, Ehrenschulden zu bezahlen, und kündige
damit gewissermaßen den finanziellen Bankerott an, suchte ein Regierungskom-
misse r vom Reichsschatzamt zu entkräften, mit einem Hinweis auf die Begr. zu
dem Gesetz, wo es Seite 7 heißt: »
„Eine gesetzliche Fusage hinsichtlich der späteren Ubernahme der Schäden
durch das Reich ist zurzeit bei der ungeheuren finanziellen Belastung des
Reichs durch den gegenwärtigen Krieg und angesichts der Unmöglichkeit, ein
auch nur einigermaßen zutreffendes Bild über die Finanzlage nach Beendi-
gung des Urleges zu gewinnen, ausgeschlossen. Eine reichsgesetzliche Rege-
lung wird daher im gegenwärtigen Seitpunkt zwar noch nicht die einem
nach Friedensschluß zu erlassenden Gesetze vorzubehaltende Ent-
schädigung seitens des Reichs und deren Umfang, wohl aber den
Kreis der gegebenenfalls vom Reiche als erstattungsfähig anzuerkennenden
Schäden und die Art ihrer Feststellung umfassen können.“
Danach denke die Finanzverwaltung nicht daran, sich irgendwelchen Derpflich-
tungen zu entziehen. Sie beachte nur, daß wir nicht in einem Einheitsstaate, sondern
in einem Bundesstaate leben, wo Aufgaben teilweise dem Reiche, teilweise den Einzel-
staaten oblägen.
Es lasse sich aber zurzeit schlechterdings nicht übersehen, ob das Reich allein oder
auch die Einzelstaaten in Betracht kämen. Deshalb könne gegenwärtig nur ein Fest-
stellungsgesetz erlassen werden und das Ersatzgesetz müsse, wie 3 15 ansdrücklich aus-
#preche, späterer Seit vorbehalten bleiben. Don der Ablehnung von Ehrenverpflichtungen
und Ankündigen eines finanziellen Bankerotts könne somit nicht wohl die Rede sein.
In der grundsätzlichen Erörterung, ob das Gesetz nur ein Feststellungsgesetz sein
lolle, oder ob nicht vielmehr zugleich die volle Ersatzpflicht des Reichs einzufügen an-
gezeigt erscheine, wurden umfangreiche Ausführungen von Mitgliedern der Komm.
vorgetragen. Es kommt vor allem im Gebiete des Königreichs Hreußen Gstpreußen in
Betracht, das durch die Russengreuel unendlichen Schaden gelitten hat, sodann Elsaß-
Tothringen, ferner Gebietsteile von Bayern, nämlich in der Hfalz, sowie von Baden,
besonders am Oberrhein, in welchen beiden letzteren durch Fliegerangriffe Schäden zu
verzeichnen sind. Ebenso steht es in den westlichen Hrovinzen Hreußens.
Es wurde anerkannt, daß der Staat erfrenlich bald eingegriffen habe, sowie daß
die private Opferwilligkeit in der Deranstaltung von Sammlungen außerordentlich
viel geleistet habe, und es wurde die Frage aufgeworfen, inwieweit die Ergebnisse
privater Sammlungen den Kriegsbeschädigten auf die Staatshilfe angerechnet werden
42*