Full text: Kriegsbuch. Fünfter Band. (5)

714 G. Vergellungsmaßregeln. 
gar angeordnet, daß die Bücher, Hapiere, Rechnungen und Urkunden der feindliche 
Ausländer und die des Liquidators nach näherer Anweisung des Gouverneurs 1 
vernichten oder in anderer Weise zu behandeln“ sind. 
Alsbald ist auch in anderen britischen Kolonien die Liqnidation nach dem Musiter 
des in Hongkong und den Straits Settlements eingeführten Verfahrens angeordner 
und durchgeführt worden. So in Trinidad und Tabago, in Nigeria, Zanzibar, Britisch 
Ostafrika, Teplon, sodann in Indien, wo Hunderte von deutschen Firmen den Ciqui- 
datoren übergeben wurden, ferner in Australien, Agypten, neuestens auch in Südafrika 
sowie in einigen der deutschen Holonien, deren sich England bemächtigt hat. 
Wenngleich diese Maßnabmen, die in entfernten Weltteilen britische Willkür 
gegen deutsche Hrioatrechte ergriffen hat, auf Weisung der Britischen Regierung in 
TLondon ergangen sind, ist doch in England selbst bis zu Zeginn dieses Jahres die Re. 
gierung vor derartigen Maßnahmen zurückgeschreckt, wohl in der Erwägung, daß eine 
derartige brutale Hlünderung fremden Vermögens ihrem Ansehen und ihrem Kredit 
in der Welt doch mehr schaden könnte, als die Bereicherung ans dem fremden Vermögen 
ihr nützen würden. 
Diese Erwägungen haben indessen bei der britischen Regierung auf die Daner 
nicht die Gberhand behalten, vielmehr hielt sie es, nachdem die planmäßige Derge- 
waltigung der Rechte feindlicher Hrivatpersonen wie ja auch neutraler Staatsange- 
höriger einen gewissen Hunkt erreicht hatte, für konsequent und nühzlich, sich nunmebr. 
auch an dem in England selbst befindlichen deutschen Vermögen in ähnlicher Weise 
zu vergreifen, wie dies in Hongkong, den Straits Settlements und anderen britischen 
Nolonien schon längst geschehen war. Die Aussicht auf den aus einem solchen plün- 
derungszug gegen fremdes Hrivatvermögen zu erhoffenden Gewinn hat den Ausschlan 
gegeben und mächtiger gewirkt als die Rücksicht auf den in Friedenszeiten sorgsam 
gehüteten guten Ruf und Mredit Englands als Derwalters und Bankiers von Vermögen 
aus aller Welt. 
Unterm 27. Januar lolé ist ein britisches Gesetz ergangen als „Abänderungs- 
gesetz, betreffend den Handel mit dem Feind 1916“, welches die Auflösung aller Unter- 
nelmungen mit überwiegend deutscher Beteiligung oder mit deutscher Leitung und 
die Enteignung alles sonstigen den Engländern begekrenswert erscheinenden deutschen 
Besitzes vorsieht. 
Es war der Zritischen Regierung bekannt, daß — trotz der Liquidation deutschen 
Eigentums in den britischen Kolonien — bis dahin noch kein brilisches oder überhaupt 
feindliches Unternehmen oder Dermögen in Deutschland liquidiert oder enteignet war. 
Und auch nach Erlaß des britischen Gesetzes vom 27. Jannar lolé hat Deutschland zu- 
nächst gezögert, Dergeltungsmaßnahmen dieser Art zu treffen, vielmehr noch abgewartet, 
ob und in welcher Weise England dieses Gesetz verwirklichen würde, um danach die 
eigenen Maßnahmen einzurichten. Tatsächlich ist die Anwen dung des Liquidationsgesetzes 
in England eine überaus rasche, ja überstürzte, und, soweit sich bei der sorgfältigen Unter- 
bindung genauerer Nachrichten beurteilen läßt, jedenfalls in einem Teil der Fälle an 
Willkür, Brutalität und zVnischer Derachtung aller Rücksichten auf Hrivatrechte den 
Hlünderungen in Hongkong und den Straits Seitlements durchaus ebenbürtig. 
Über mehr als 300 deutsche Firmen ist bis Mitte August 1916 die Liquidation 
verhängt worden. Die Deräußerung aller Werte der zu liquidierenden Firmen erfolgt 
in der Regel mit der größten Zeschleunigung und vielfach unter Beiseitelassung aller 
Gebräuche und Rücksichten eines ordentlichen geschäftlichen Derfahrens. So ist es ge- 
kommen, daß wertvolle Unternehmungen — und es handelt sich vielfach um außer- 
ordentlich hohe Werte, um moderne Großbetriebe mit allen Einrichtungen — dem 
ersten Besten, der sich zu diesem unsauberen Geschäft hergeben wollte, zu Schleuder- 
preisen angeboten wurden. In einem Falle wurde den deutschen Aktionären einer 
britischen Gesellschaft der „freiwillige“ Derkauf ihres Aktienbesitzes zu 50 v. B. des Bös- 
senwertes angesonnen, mit dem Bemerken, daß bei einer Swangsliquidalion ein so „Lün- 
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