Allerh. Erlaß, betr. Niederschlagung gerichtl. eingeleit. Untersuch, geg. Kriegsteilnehmer. 791
gerichtlich bereits eingeleiteten, bis zum heutigen Tage noch nicht rechtskräftig
erledigten Untersuchungen gegen Teilnehmer an dem gegenwärtigen Kriege nieder-
geschlagen werden, soweit sie vor dem 27. Januar d. J. und vor der Einberufung
zu den Fahnen begangene
1. Übertretungen,
2. Vergehen mit Ausnahme derjenigen des Verrats militärischer Geheimnisse,
3. Verbrechen im Sinne der §§ 243, 244, 264 RStr G., bei denen der Täter
zur Zeit der Tat das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte,
zum Gegenstande haben. Soweit in anderen Fällen die Niederschlagung der
Untersuchung angezeigt erscheint, erwarte Ich Einzelvorschläge. Ausgeschlossen
von den Gnadenerweisen sind Personen des Soldatenstandes, gegen die wegen
begangener Straftaten durch militärgerichtliches Urteil auf Entfernung aus dem
Heere oder der Marine oder auf Dienstentlassung erkannt ist oder wird, sowie
andere Personen, die mit Rücksicht auf eine Straftat ihre Eigenschaft als Kriegs-
teilnehmer verloren haben oder verlieren werden.
Der Minister der Justiz und des Krieges haben die zur Ausführung dieses
Erlasses ersorderlichen Anordnungen zu treffen.
i) Allgemeine Verfügung des Iustizministers zur Ausführung
diesess Erlasses vom 26. April 1915. (IMl. 84.)
Für die Ausführung des vorstehenden Allerhöchsten Erlasses gelten die Be-
stimmungen der Allgemeinen Verfügung vom 27. Januar d. J. (Im Bl. S. 13)
in entsprechender Anwendung mit den folgenden Maßgaben:
1. Als Kriegsteilnehmer gelten auch diejenigen Personen, bei denen die Vor-
aussetzungen der erwähnten Allgemeinen Verfügung unter I 1 erst in der Zeit
nach dem 27. Januar d. J. eingetreten sind.
2. An die Stelle der Einstellungsverfügung der Strasverfolgungsbehörde tritt
deren Antrag auf Einstellung des Verfahrens durch das Gericht.
Nach den Anordnungen der erwähnten Allgemeinen Verfügung unter II 1
kann der Antrag auf Einstellung erst gestellt werden, wenn der Angeschuldigte
aufgehört hat, Kriegsteilnehmer zu sein, ohne daß ein Umstand eingetreten ist,
der ihn von der Wohllat des Erlasses ausschlösse.
Soweit Strafverfahren, die infolge Einlegung des Rechtsmittels der Re-
vision beim Reichsgericht anhängig sind, in Betracht kommen, wird der Ober-
reichsanwalt die Akten den Ersten Staatsanwälten zusenden; die Ersten Staats-
anwälte haben diejenigen Ermittlungen anzustellen, die erforderlich sind, um
beurteilen zu können, ob die Angeschuldigten zu den Kriegsteilnehmern gehören,
und haben alsdann unter Rücksendung der Akten an den Oberreichsanwalt über
das Ergebnis dieser Ermittlungen zu berichten. Etwaigen Ersuchen des Ober-
reichsanwalts um weitere Aufklärung ist zu entsprechen.
In Privatklagesachen entscheiden die Gerichte von Amts wegen über die
Einstellung des Verfahrens; das gleiche gilt für die bei außerordentlichen Kriegs-
gerichten anhängigen Untersuchungen.
3. In einem niedergeschlagenen Verfahren bereits erfallene Gerichtskosten
— einschließlich der Auslagen — sind unter Erstattung der bereits bezahlten Be-
träge niederzuschlagen.
4. Soweit Gnadenerweise zur Vermeidung von Härten angezeigt erscheinen
zugunsten von Mittätern, die nicht zu den Kriegsteilnehmern gehören, oder zu-
gunsten von Personen, die, ohne Kriegsteilnehmer zu sein, im Interesse der Krieg-
führung tätig gewesen sind, haben die Ersten Staatsanwälte von Amts wegen
zu berichten, nachdem die auf Strafe lautenden Urteile rechtskräftig geworden sind.