Bek. über die freiw. Gerichtsbarkeit in Heer und Marine vom 14. Januar 1915. 39
Interessen der Kriegsteilnehmer gewahrt werden würden, ist sicher nicht richtig. Wenn
ein Kriegsteilnehmer seine Wohnung beibehält, oder gar seinen Gewerbebetrieb fortsetzt,
so hat er dafür gesorgt, daß seine Angelegenheiten besser wahrgenommen werden, als er
dazu in der Kaserne oder gar draußen im Felde imstande ist. Er muß die weitere Er-
ledigung der Angelegenheit in der Regel doch seinen Leuten im Geschäft überlassen. Höchst
eigentümlich würde es auch erscheinen, wenn die Rücksicht zwar auf die Gemeinen genom-
men werden würde, nicht aber auf die Offiziere des aktiven oder des Beurlaubtenstandes,
bei denen die Ersatzzustellung im Haus oder Geschäftsraum zulässig ist und die doch sicherlich
ebenso ofl wie die Gemeinen ein Interesse an der Kenntnis der zugestellten Schriftstücke
haben. Endlich ist zu bedenken, daß eine derartige Vorschrift nur für das Prozeßrecht,
nicht aber für das bürgerliche Recht gilt; daß demnach auf dem Gebiete des bürgerlichen
Rechts, z. B. für Kündigung und dergleichen, Zustellungen in Wohnung und Geschäft
zulässig sind.
Das Verbot der Ersatzzustellung ist aber nicht nur zwecklos, es ist auch schädlich. Bei
der ungewöhnlich großen Zahl von Personen, die in Frage stehen, hat die Vorschrift,
wenn sie richtig ausgeführt, eine ganz außerordentliche Belastung der Kompagnieführer
zu Hause und im Felde zur Folge; zu gleicher Zeit bildet sie aber auch bei der großen Zahl
der in Betracht kommenden Zustellungen, die im Sinne der strengen Auslegung fehlerhaft
gemacht werden, eine Quelle der Rechtsunsicherheit, deren Beseitigung unseres Erachtens
ebenso notwendig ist, wie sich dies bei den zum Heeresdienst eingezogenen Rechtsanwälten
als erforderlich erwiesen hat. Da die VO. v. 22. Dezember 1915 die Gerichte geradezu
daran hindert, gegenüber denen, die nicht Rechtsan wälte sind, von der sachgemäßen Aus-
legung des & 172 Gebrauch zu machen, so bitten wir, eine entsprechende Feststellung
zu treffen, daß der § 172 B8PO. keine zwingenden Vorschriften enthält.
6. Levin a. a. O. 404 ff. Aus # 1 Abs. 2 VO. ist als Ansicht des BR. zu entnehmen,
daß #1 172 8PO. für andere Personen als R. zwingend ist. Das führt zu einem schwer
erträglichen und innerlich nicht begründeten Rechtszustand, da Ersatzzustellungen für
Heeresangehörige äußerst zahlreich sind und in allen diesen Fällen die an die Zustellung
geknüpften materiellen und Verfahrenswirkungen nicht eintreten, ohne daß dieses stets
dem Gläubiger oder dem Gericht bekannt wird. # 172 hat den Zweck, Zustellungen zu er-
leichtern, kann diesen Zweck aber bei den durch den Welkkrieg geschaffenen Verhältnissen
nicht erfüllen. Es empfiehlt sich, den § 172 8 PO. ausdrücklich zur Ordnungsvorschrift zu
machen und deshalb Zustellungen in der Wohnung und im Geschäftslokal (3s 181 Abs. 1,
183 3PO.). für wirksam anzuerkennen. Dagegen bestehen Bedenken gegen die Zulassung
von Ersatzzustellungen nach § 181 Abs. 2 (Ubergabe an den Hauswirt oder Vermieter) oder
nach 4 182 (Niederlegung auf der Gerichtsschreiberei, bei der Post, dem Gemeinde-
vorsteher oder dem Polizeivorsteher). Das Verhältnis zwischen § 172 und § 201 B#O.
ist zu regeln. «
5. Bekanntmachung über die freiwillige Gerichtsbarkeit in Heer
und Marine vom 14. Jannar 1915. (RGBl. 18.)
Wortlaut und Begründung in Bd. 1, 156, 157.
Literatur.
Nachtrag zu der Nachweisung in Bd. 1, 157.
Marcus, Die BRVO. vom 14. Januar 1915 über die sreiwillige Gerlchtsbarkeit
in Heer und Marine, ZBl G. 16 658.
§ 1.
Ergänzungsvorschriften über die freiwillige Gerichtsbarkeit * die
Kaiserliche Marine.
1. Ist die Verordnung rechtswirksam?
Marcus G. a. O. 661. Die Begriffe „wirtschaftliche Maßnahmen“ und „wirtschaft-