Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst vom 5. Dezember 1916. 823
zum Siege der deutschen Fahnen nötig sei. Der vorliegende Entwurf müsse jedoch noch
nach verschiedenen Richtungen hin ausgebaut werden. Vor seiner Verabschiedung müsse
Gewähr dafür gegeben sein, daß die jetzt schon dem Militär unlerstehenden Mannschaften
auch zweckmäßig verwendet würden. Mit der Burschenwirtschaft sowie den überflüssigen
Ordonnanzen sei aufzuräumen. Werkmeister und Ingenieure an der Front sollten der
Industrie zurückgegeben und die zweckmäßige Verwendung auch der Arbeilerschaft ge-
sichert werden. Die Landwirtschaft set Kriegsindustrie. Jene Arbeitskräfte, die in den
letzten drei Monaten darin tälig waren, solllen dabei belassen und nicht anderwärts dienst-
pflichtig gemacht werden. Eine Reihe von Luxusbetrieben, Kaffee= und Vergnügungs-
solalen könnten ruhig geschlossen und die hier beschäftigten Arbeitskräfte zweckmäßigere
Verwendung finden. Über die Zusammenlegung und Schließung von Betrieben solle
man sich mit den Organisalionen der Arbeitgeber und Arbeilnehmer verständigen und
eine obere Instanz beim Kriegsamt schaffen, die darüber endgültig entscheide. Bei der
Arbeitsvergebung solle man den Wohnplätzen der Arbeiter und Geschäftssitzen der In-
dustrie nachgehen. Ohne die Mitwirlkung der freien Berufsorganisationen sowohl der
Landwirtschaft, des Gewerbes und der Arbeiter sei das Gesetz nicht durchführbar. Die
Arbeit der Leiter und Sekretläre dieser Organisalionen müßie deshalb als. nationaler
Hilfsdienst angesehen und dies im Gesetz ausgesprochen werden. Bei der Ausführung
des Gesetzes könnte nicht alles in die Hände von Offizieren gelegt werden. Die Verwal-
tungsbehörden, die Land und Leute genauer lennen, müßten mehr beieiligt werden.
Hinsichtlich der Unternehmergewisine sei es das einfachste, die Preise für die Erzeugnisse
herabzudrücken; die Heeresverwaltung habe das in der Hand. Bestimmungen, betreffend
Arbeiterausschüsse und Schiedshöfe zur Sicherung der Arbeiterverhällnisse, müßten dem
Gesetze eingefügt werden. Das Wichtigste sei bel dem vorliegenden schwer in alle Ver-
hältnisse eingreifenden Gesetze, den Reichstag dauernd mitwirken zu lassen. Er hoffe,
daß alle die Anregungen durch gemeinsame Anträge und deren Annahme recht bald er-
ledigt werden könnten.
Gegenüber den Ausführungen des Zentrumsabg. belonte der Kriegsminister,
daß es ihm durchaus sern gelegen habe, dem Reichstage oder gar dem deutschen Volke
irgendeine Schuld an etwaigen früheren Versäumnissen zuzuschieben. Er würde es für
überflüssig und unangebracht halien, noch einmal besonders auf die ungeheuren Leistungen
und die außerordentliche bewunderungswürdige Opferwilligkeit des deulschen Volkes
besonders hinzuweisen. Darüber gäbe es nirgends auch nur die leiseste Meinungs-
verschiedenheit. Er sei mit dem Abg, der Ansicht, daß eine etwaige Schuldfrage vollständig
aus dem Spiele gelassen werden müsse. Er habe sich nur verpflichtet gefühlt, die Zivil-
ressorls gegen völlig unbegründete Angriffe, die dagegen erhoben würden, zu verteidigen.
Der Staatssekretär d. J. ging auf einige bisher in der Erörterung, namentlich
in der Rede des Vertreiers des Zentrums vorgebrachte Einzelheiten ein. Er stellie mit
Genugtuung fest, daß in der Frage der Notwendigkeit des Gesetzes und der großen organi-
satorischen Arbeit, die zu seinen Ausführungen erforderlich sei, völlige Übereinstimmung
zwischen dem Ausschusse und der Regierung herrsche. Der Staatssekretär trat den Be-
sürchtungen enlgegen, daß in nationalem Inieresse wichtige und unenibehrliche Betriebe
stillgelegt bzw. eingeschränkt werden könnten, weil sie in der Begriffsbestimmung des
valerländischen Hilfsdienstes nicht ausdrücklich genannt sind. Man müsse beachten, daß
als Hllfsdienst jede Tätigkeit zu gelten habe, die für Kriegführung oder Volksversorgung
unmittelbar oder auch nur mittelbar von Bedeutung sei. Diese Definilion eröffne doch
einen weiten Spielraum. Was im besonderen die Presse anlange, so wisse die Regierung
ganz genau, daß die Aufrechterhaltung auch der mittleren und kleinen Presse während
der ganzen Dauer des Krieges eine dringende vaterländische Nolwendigkeit sei. Die Re-
Qierung hätte ja schon früher besondere Maßnahmen getroffen, um angesichts vorliegender
technischer Schwierigkeilen das Weitererscheinen auch der mittleren und kleinen Zeitungen
zu gewährleisten. Wenn in der Erörterung auf einzelne Fälle hingewiesen worden sei,
wo lokale Funktionäre nur geringes Verständnis für die Notwendigkeit der Erhaltung