826 M. Vaterländischer Hilfsdienst.
Auf die Einwände eines sozialdemokratischen Abgeordneten eingehend, appelliert
der Staatssekrelär d. J. an den Ausschuß, sich des großen Zieles bewußt zu blelben
und die Vorlage von keiner Seite her mit Bestimmungen zu belasten, die für die Durch.
führung der Hilfsdienstpflicht entbehrlich und für irgendeine andere Seite unannehmbar
sind. Er habe wiederholt belont, daß der Zwang Ausnahme und letztes Mittel bleiben
solle; aber auch diejenigen, die schließlich einer bestimmten Beschäfügung überwiesen
werden müssen, seien ihrem Arbeitgeber oder dem Betriebe, in dem sie zu arbeilen haben
keineswegs rechtlos ausgeliefert. Die Beschwerdeausschüsse, die vorgesehen seien, bölen
nach ihrer ganzen Zusammensetzung die Gewähr für elne gerechte, auch von sozialpoll.
tischem Verständnisse und Empfinden getragene Entscheidung. Unbegründet seien auch
die Vesorgnisse wegen eines etwaigen Lohndruckes. Wenn für die den Betrieben zuge.
wiesenen Arbeiter Koalilions= und Organisationsfreihelt verlangt werde, so sei darauf
zu erwidern, daß ihnen diese Freiheit selbstverständlich in genan dem gleichen Umsange
zustehe, wie allen anderen Arbeitern. Es gehe aber nicht an, wie es von sozialdemolra-
tischer Seile geschehen sei, diese Frage mit der des Streikverzichts der Eisenbahnarbeiter.
organisationen zu verquicken. Der Staatssekretär besprach dies letztere Problem sehr
eingehend. Im Interesse der öffentlichen Sicherheit und des öffentlichen Wohles müsse
von den Eisenbahn-Arbeilerorganisalionen allerdings der ausdrückliche, in den Satzungen
niedergelegte Verzicht auf den Streik als Kampfmittel verlangt werden. Mit der Frage
der Hilfsdienstpflicht und ihrer Durchführung habe jedoch diese ganze Angelegenheit nichts
zu tun. Eine gewisse Erschwerung des Arbeitswechsels sei in dem Gesetze vorgesehen
und auch unentbehrlich, um für die Produktion schädliche Störungen des Betriebes zu
verhüten. Auch hier würden den Arbeitern durch die Beschwerdeausschüsse und ihre Zu-
sammensetzung alle erforderlichen und möglichen Garantien geboten. Von der zwangs.
weisen Einsetzung besonderer gewählter Arbelterausschüsse in den Betrieben, wie sie von
sozialdemokratischer Selte angeregt wurde, könne angesichts der vorgesehenen öffentlich-
rechtlichen Beschwerde- und Enischeidungsinstanzen abgesehen werden. Der Staats-
sekrelär schloß mit der wiederholten Mahnung, das Hilssdienstpflichtgesetz nicht zum Gegen-
stand parteipolitischer Kämpfe zu machen, sondern es allein vom Standpunkte seiner vater-
ländischen Notwendigkeil zu betrachlen.
Ein Mitglied der soz. Arbeitsgem. beklagte sich darüber, daß der Gesetzentwurf
seiner Fraktion erst gestern bekanntgeworden sei. Er müsse dagegen Einspruch erheben,
daß die sozialdemokratische und andere Fraklionen von der Regierung bereils früher unler-
richtet und mil ihnen verhandelt worden sei. Das entspreche weder den geschäftsordnungs-
mäßigen Bestimmungen, noch der Würde des Reichstags. Der Gesetzentwurf sei äußerst
mangelhaft. Es sei Pflicht, das schwer eingreifende Gesetz nach allen Richtungen hin zu
prüsen. Daß der Presse seinerzeit nicht gestattet worden sel, die Rede des englischen Muni-
tionsministers abzudrucken, erachte er als einen schweren Fehler, denn mit der Veröffent-
lichung dieser Rede hätte das deutsche Volk erfahren, wie sehr der Gegner rüste. Ob der
Arbeitszwang als eine unabweisbare Notwendigkeit anzusehen sei, möchie er bezweiseln.
Der Krieg könnte durch Friedensverträge beendet werden. Durch die Zwangsarbeit dürfe
den Unternehmern nicht in die Hände gearbeilet und ihnen nicht billige Arbeitskräste
zugeführt werden. Mehr als 10 % Gewinn solle den Unternehmern keinessalls belassen
werden.
Ein Redner der N. wünschte, daß alle in das Gesetz viellelcht einschlägige aber nicht
direkt dazu gehörige Fragen hier ausgeschallet würden, damit die Verhandlungen ge-
sördert und schneller beendigt werden könnten. Daß dem Gesetz unterschoben werde,
es sei dazu da, den Arbeitgebern billige Arbeitskräfte zuzuführen, sei eine Verleumdung,
die auch die Vertreter der Arbeiter hier zurückweisen sollten. Das Strelkrecht der Eisen-
bahner hier anzuschneiden, sei völlig unangebracht, denn darum handle es sich jetzt nicht.
Daß dagegen die Arbeitsverhältussse der Hilfsdienstpslichtigen im Gesetz geregelt werden
müßten, erachte er als selbstverständlich. Wie bei Lehrern, Angestellten usw der Hilfsdienst
organisiert und bei Stillegung von Beirieben mit den bisherigen Kriegszulagen der Unter-