856 M. Vaierländischer Hilfsdienst.
sich heraus pflichibereit und opferwillig mitmacht, mit widerwilligen Arbeitern kann die
große Arbeit nicht geleistet werden. Was uns die Regierung als Entwurf vorgelegt har
entspricht nicht diesen Anforderungen. Der Ausschuß hat eine eigene Arbeit hergesteilr
die noch nicht ganz fertig ist. Sie ist viel umfangreicher als die Vorlage, denn sie hat —*
lichen Inhalt; befriedigend können wir auch diese Arbeil nichl finden, es bleiben sehr große
Mängel und ernste Bedenken, wir können daher über unsere endgültige Haltung dazu
noch nichts sagen. Wir wünschen nicht, das Gesetz zu verzögern, aber wir wollen es auch
nicht überhasten. Es muß eine ordnungsmäßige zweile Beralung ersahren, dabei wird
auf die Einzelheiten näher einzugehen Gelegenheit sein. Das Geset bedeutet einen un.
geheuren Eingriff in die Existenzgrundlage von Millionen. Das persönliche Selbstver-
fügungsrecht wird für alle erwachsenen Männer unter mililärische Befehlsgewalt gestelll;
das ist ein Umsturz aller bisherigen Begriffe von staatsbürgerlichem Recht auf persönliche
und wirtschaftliche Freiheit. Hier müssen reelle Garantien gegen Mißbrauch in dem Gesepze
lelbst gegeben werden, bloße Worte und Erklärungen vom Regierungstische genügen nicht.
Der neue Vorschlag versucht das ja auch, aber nicht hinreichend in allen Punkten. In erster
Linie trifft das Gesetz mit voller Wucht die Lohnarbeiterschaft. Die Organisationen der
Arbeiter und Angestellten hatten die entsprechenden Sicherungsvorschläge ausgearbeitet
und haben sie der Kommission vorgelegl; vor dieser Arbeit der Männer der Praxis sollien
die verbündeten Reglerungen Achtung haben. Wir werden in der zweiten Beralurg ei.
sprechende Anträge zu dem neuen Vorschlage einbringen, soweit uns dieser nicht genügend
erscheint. Ebenso muß eine ständige Kontrolle und Mitarbeit des Reichstags eingerichter
werden. Gegen eine Mitwirkung bes Ausschusses in diesen Fragen liegen versassungs-
mäßige Bedenken nicht vor, höchstens gegen das Ermächligungsgesetz von 1914. Wir
haben unsere Rechte preisgegeben, wir müssen sie jetzt zurücknehmen, namentlich bei
diesem Gesetz. Es muß eine Kontrollinstanz geschaffen werden, die mitbestimmt und nicht
hinterher läuft. Die Kompetenz der vorgeschlagenen Kommission ist allerdings nicht genau
umschrieben; es wird auf die Praxis ankommen. Die Frage der Aufhebung des Gesetzes
ist auch nicht befriedigend. Es sollte eine feste Frist in das Gesetz ausgenommen werden,
so daß die Regierung genötigt wäre, eine Verlängerung des Gesetzes zu beantragen. Tie
Arbeitersekretariate müßten in dem Gesetz ausdrücklich genannt werden, ihre Aufrecht-
erhaltung ist dringend notwendig im Interesse der Arbelter. Auf der anderen Seite soll
die Landwirtschaft durch einen neuen Vorschlag bevorzugt werden. Der Landwirtr is
gegenüber anderen Berufen in einer beneidenswerten Lage, er hat nicht die großen Sorgen
städtischer Arbeiter und Ueiner Handwerker, vor allem nicht bezüglich der Ernährung.
Jetzt gibt ihm der Gesetzentwurf noch einen weitleren Vorzug, indem er ihm Arbeitsträfle
zuführt. Gewiß müssen Arbeitskräste da sein, damit nicht der Boden brach liegt, ober es
wäre ein Mißbrauch des Gesetzes, wenn die Landwirte in die Lage versetzt würden, ihren
Ertrag ins ungeheure zu vermehren. Dasselbe gilt für alle anderen Betrlebe. Die Kriegs-
gewinnsteuer ist kein ausreichendes Miltel, um die übermäßigen Prosite wettzumachen.
Dieser Zustand wirkt verbitlernd. Es muß eine ausreichende Kontrolle geschaffen werden,
daß keine übermäßigen Gewinne erzielt werden. Daneben könnten einzelne Rüstungs-
industrien ohne weiteres verstaallicht werden. Dieser Krieg ist eine Facharbeiterfragc.
Der technische Facharbeiler ist für den Krieg von einer Bedeutung, die man früher nicht
kannle. Die Arbeiterschaft ist sich dieser ihrer Bedeulung für den Staat bewußt geworden
und hat ihre Pflicht getan. Die Ersolge des Krieges verdanken Sie der Tüchtigkeit der
Arbeiterschaft. Wie will man ihr da die gleichen staatsbürgerlichen Rechte, die volle Gleich-
berechtigung vorenthalten! Auch die geistige Berussarbeiterschaft sollte sich diceser Er-
kenntnis nicht verschließen. In diesem Geist muß auch an diesem Gesegz gearbeitet werden.
Abg. Bassermann (ul.): Wir begrüßen den Grundgedanken des Gesetzes, die
wirkschaftliche Mobilmachung Deutschlands, und treten an sie mit patriotischer Freudig-
keit herau. Über die Notwendigkelt des Gesetzes ist lein Wort zu verlieren. In die Hände
des Kriegsamss ist die Vollziehung dieses Gesetzes gelegt, ein Beweis großen Vertrauens,
den wir ihm damit aussprechen und seinem Leiter. Wir werden vor die Frage gesielil,