Full text: Kriegsbuch. Fünfter Band. (5)

862 M. Vaterländischer Hilfsdienst. 
desto mehr und desto härter werden die Arbeiler davon betrossen. Die Umschreibung 
dessen, was als „Hilfsdienstpflicht“ gelten soll, öffnet der Willkür Tür und Tor. Keine 
Sicherheit besteht gegen gesundheitsgefährliche Bemessung der Arbeitszeit. Hundert 
tausende von Arbeltern arbeilen nicht nur, sie hungern für das Valerland. Wer bezahlen 
kann, hat Fleisch, Fett, Wild, Geflügel, Delikatessen, und die Besitzlosen haben nicht ein 
mal Kartoffeln zu essen. Das weiß das Ausland. Wir vertreten das Recht auf Arbei: 
Zur Auffüllung der Fabriken ziehl man gelernie Arbeiter aus den besetzten Gebieten 
und von der Front als Lohndrücker heran. Das Geseth kann zu politischer Beeinflussung 
und Korruption mißbraucht werden. Schon jeyzt wird die unbequeme Schutzhaft durch 
Einrelhung in einen Schützengraben ersetzt, wie es noch neuerdings gegen einen Arbeiter 
geschehen ist, der meiner Richtung angehört und sich durch seine Gesinnung bei dem Unter- 
nehmer mißliebig gemacht hat. Die Privalindustrie soll ihre Rlesengewinne weiter ein 
heimsen, und es soll ihr nur ein Bruchteil in Form der Steuer abgenommen werden. 
Man sollte vielmehr die Betriebe unter staatliche Aufsicht nehmen und auf Rechnung 
des Reiches betreiben. Was man uns vorwirft, das tun Sie selbst, indem Sie die Arbeiter 
kasernieren. Wir lehnen dieses Gesetz ab, und die Arbeiter würden es ziemlich einmütig 
tun, wenn sie sich nur dazu frei äußern könnten. 
Sitzung vom 30. November 1916. 
Unter dem Namen des Abg. Dr. Spahn ist der von dem Hauptausschuß vereinbare 
erwelterte Enkwurf eingebracht. 
Der §& 1 lautet in beiden Entw. übereinstimmend: 
„Jeder männliche Deutsche vom vollendeten 17. bis zum vollendeten 60. Lebenz- 
jahre ist, soweit er nicht zum Dienst in der bewaffueten Macht einberufen ist, zum 
vaterländischen Hilfsdienste während des Krieges verpflichtet.“ 
Abg. Bauer (Soz.): Meine Partei behält sich ihre endgültige Stellung zum Gesetz 
bis zur dritten Lesung vor. Mit dem Grundgedanken des § 1 können wir uns einverstanden 
erllären. Das Gesetz ist nicht, wie von anderer Seite behauptet wird, ein Gesetz der Un. 
freiheit und des Zwanges. Es führt einen organisierten Rechtsschutz für die Arbeiter herbei, 
sichert ihnen eine ausreichende Verktretung. Das Streben, vorwärts zu kommen, wird den 
Arbeitern nicht unterbunden. In erster Linle müssen die Tarifverträge überall beachtel 
und durchgeführt werden. Wenn das Kriegsamt dies zusicherk, so wird das beruhigend 
wirken. 
Abg. Gothein (fortschr. Volksp.): Die Beratung geht unter außerordentlichen Ver- 
hältnissen vor sich. Wir haben noch gar keine Zeit gehab!, den neuen Entwurf zu lesen. 
Es wird eine Pflicht der Selbstbeschränkung sein, möglichst festzuhalten, was nach müh- 
seligen Beratungen in dem Ausschuß zustande gekommen ist. Wir meinen, es wird zweck- 
mäßig sein, die weitere Sicherung den Ausführungsbestimmungen zu überlassen, an denen 
der 15er-Ausschuß mitzuwirken haben wird. Notwendig ist ein Schut der Beiriebe, denen 
die Arbeitskräfte entzogen werden. Es muß zuerst mit den Betrieben oder Verbänden 
verhandelt werden, wieweit es nötig ist, ihnen Arbeilskräfte zu entziehen. Der Weg der 
Freiwilligkeit ist zunächst ins Auge zu fassen, wenn auch ohne Zwang nicht auszukommen 
sein wird. Der Zwang könnte ja angedroht werden. Jetzt wird die Möglichkeil sein, auf 
dem Wege freiwilliger Verständigung zu einer Stillegung mancher Werke zu kommen. 
Die übrigbleibenden Werke werden dann eine konzentrierte Tätigkelt zu entfalten haben. 
Dadurch werden große Ersparnisse auch in bezug auf die Eisenbahnbe förderung gemacht 
werden. Die stillgelegten Betriebe würden elne Entschädigung von dem Zwangssondikat 
erhalten können. Im übrigen kann es nicht die Aufgabe dieses Gesetzes sein, alle Schäden 
einzelner Betriebszweige von Reichs wegen auszugleichen. Bei der Entscheidung über die 
Einziehung von Arbeitern müssen die Handelskammern usw. gutachilich gehört werden. 
Wir werden Ihnen dies in Form einer Resolution vorschlagen. Auch die Gemeinden 
müssen gehört werden, wenn nicht unberechenbarer Schaden entstehen soll. Es ist in dem 
Ausschuß angeregt worden, ob es nicht angebracht wäre, eine Entschädigung für die Siill-
	        
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