Full text: Kriegsbuch. Fünfter Band. (5)

864 M. Vaterländischer Hilfsdienst. 
wie dem Abg. Gothein, daß ein Ausgleich in den. Industrien nur von genossenschaftlichen 
Zwangssyndilalen zu erwarlen sein wird. Tief bedauerlich ist es, daß wir auf die Streckung 
der Arbeit, die seinerzeit das Gegebenc war, verzichten müssen, um zur Intensitäl der Arbeit 
übergehen zu können. Die neue wirtschaftliche Umstellung wird einer großen Anzahl von 
Industrien immer mehr Blut entziehen. Wir werden dem Hause eine Resolunon zur An. 
nahme unterbreiten, die die Nuybarmachung von stillgelegten Betrieben fl#r die Munilions. 
industrie fordert. Die Verpflanzung der Arbeiter in andere Gegenden und andere In- 
dustrien darf nur im äußersten Notfalle erfolgen. Das Kriegsamt sollte zu diesem Zwecke 
ganz Deutschland bereisen lassen und feststellen lassen, welche stillzulegenden Betriebe 
sich für die Umwandlung in Munitionsfabriken eignen. In bezug auf die Entschädigung 
hat heute der Abg. Gothein sich auch, wie gestern der Abg. von Payer, grundsätzlich gegen 
eine Entschädigungspflicht des Reiches ausgesprochen. Ich bedaure das. Nachdem das 
Reich heule die staatliche Monopolstellung der Rüstungsindustrie durch dieses Gesetz zu 
fundamentieren sich angeschickt hat, müssen wir auch über dle Heranziehung der Gewinne 
dieser Industrie uns unterhalten, muß die Möglichkeit geschaffen werden, aus höheren Ge- 
winnen Fonds zu bilden, die zur Ausgleichung von Härten verwendet werden. 
Abg. Frhr. von Gamp-Massaunen (deutsche Fraktlon): Zweifellos sprechen 
gewisse Billigkeilsgründe für den Slandpunkt, den der Abg. Stresemann bezüglich der 
Entschädigung verlreten hat. Die Frauenorganisationen haben vielsach den Wunsch ge- 
äußert, zur valerländischen Dienstpflicht zugezogen zu werden. Der Präsident des Kriegs- 
amts hat zu dieser Frage nicht Stellung genommen, nur der Slaatssekretär d. J. hat sich 
darüber ausgelassen und das Bedürfnis in Abrede gestellt. Seine Beweisgründe lann ich 
nicht als durchschlagend anerkennen, stehe vielmehr auf entgegengesetztem Standpunkte. 
Bleibt das Gesetz, wie es ist, so behiellen die Frauen, die jetztl in der Industrie beschäftigt 
sind, das Recht, jederzeit die Arbeit niederzulegen; damit werden die Männer doch ganz 
erheblch schlechter gestellt. Daß die Frauenarbeit billiger ist, darf doch auch nicht übersehen 
werden. Jetzl sollte man auch die Zeit benutzen, die jugendlichen Arbeiter als Facharbeiler 
auszubilden; damit würde namentlich dem platten Lande ein großer Dienst gelcistet. Von 
der Pflicht zium valerländischen Hilfsdienst sollte man die Bürgermeister der kreisfreien 
Slädte, auf denen die ganze Last der Stadtverwalkung liegt, befreien; sie müßten ebenso 
vom Arbeitsdienst in der Mililärverwaltung befrelt werden, wo man jetzt unter Umständen 
akademisch gebildete Männer zu den niedrigsten Dienstleistungen, wie Osen heizen, Kar- 
koffckn schälen usw., gebraucht. 
Abg. Dillmann (soz. Arbeitsgem.): Den grundsätlich ablehnenden Standpunft 
meiner Freunde gegen dieses Arbeilszwangsgesetz hat gestern der Abg. Vogtherr dargelegt. 
Wir bringen jetzt zur zweitlen Lesung eine Anzahl von Anträgen ein, um die Wirkung des 
Gesetzes tunlichst zu paralysieren, wenn wir auch schließlich das Ganze verwersen werden. 
Zu § 1 fordern wir, daß der Hilfsdienst nur bis zum 45. Jahre ausgedehnt wird, analog der 
Kriegsdienstpflicht. Leute über 45 Jahre sind vielfach in Stellungen, in die sie sich erst. 
langsam hineingearbeitet haben, in die sie im gegenwärtigen Alter niemals hineingekommen 
wären. Vor dem Kriege hat die rheinisch-westfälische Schwerindustrie Leute über 40 Jahre 
nur noch ausnahmsweise eingestelll, sehr oft auch ist ihre Arbeitsfähigkeit nur noch eine 
einseitige; es fehlt ihnen vielsach geistig wie körperlich die Frische und Elastizität, sich in 
völlig neue Verhältnisse einleben zu können. 
Abg. Glesberts (Zentr.): Wir lehnen die soeben vorgeschlagene Beschränkung der 
Dienstpflicht auf das 45. Jahr ab. Das Gesetz greift tief in das Selbstbestimmungsrechlt 
der Industrie und der Arbeiler ein, ebenso in die Interessensphäre der Lohnarbeiler. 
Deshaib müssen Garanlien geschaffen werden gegen eine Ausbentung der Arbeiter. Die 
Einführung der Arbeiterausschüsse, der Schiedsausschüsse, die Einsührung des Fünfzehner- 
ausschusses sollen ein Schutz dagegen sein, daß das Gesetz antisozial wirkt. Die Erklärung 
des Generals Groener über die Reklamierten begrüßen wir. In den Ausführungsbeslim- 
mungen wird auch die Versicherung der Dienstpflichtigen zu regeln sein. Bei der Lohn- 
bemessung wird auf die Familienverhältnisse der Betressenden Rücksicht zu nehmen und
	        
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