Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst vom 5. Dezember 1916. 865
eventuell eine Zulage aus disponiblen Fonds zu zahlen sein. Daß bei diesem tiefen Eingriff
in das Wirtschaftsleben Härten enistehen, ist selbstverständlich; sie müssen getragen, aber auch
mögichst gemildert werden. Zu diesem Zwecke müssen im Interesse des Mittelstandes bei
der Stillegung die Handwerkskammern zugezogen werden. Das Gesetz wird eine starke
Zentralisierung, eine Syndizierung, aber auch eine Monopolisierung der Rohstofse herbei-
führen. Man sollte dafür sorgen, daß den Handwerkern, die Arbeiten übernehmen, auch
die nöligen Rohstoffe geliefert werden. Ebenso ist es notwendig, daß bei Schließung oder
Zusammenlegung von Geschäften des Detoilhandels vorher die zuständige Handelskammer
bzw. deren Kleinhandelsausschuß zu hören ist. Erfreulich ist, daß vom Regierungstisch erklärt
worden ist, daß die Stillegung möglichst auf dem Wege der Freiwilligkeit stallfinden soll.
Die Enlschädigungsfrage ist ja schwer zu lösen, sie darf aber von der Regierung nicht dila-
torisch behandelt und auf die Kriegsgewinnsteuer abgeschoben werden.
Abg. Schiffer-Magdeburg (ul.): Die Erklärung des Generals Groener hat uns
befriedigt. Es ist auch anzunehmen, daß die verbündelen Regierungen unserem Kompromiß-
ankrage zustimmen. Das Gesetz hat im Volke Begeisterung hervorgerufen, es hat seelisch
erfrischend gewirkt. Auf der anderen Seite hat dessen Unklarheit in weiten Kreisen Be-
unruhigung hervorgerufen. Bei keinem Gesetz triffl wie bei diesem die Erfahrung zu, daß
die Hauptsache die Ausführungsbestimmungen sind. Der materielle Stofj wird vorzugs-
weise in Verordnungen hineinzuarbeiten sein. Sehr viel wird auch ankommen auf die
Auswahl der Personen, die das Gesetz auszuführen haben. Der Ton in manchen Kriegs-
gesellschaften läßt manches zu wünschen übrig. Das Publikum kann verlangen, daß es
zuvorkommend behandelt und möglichst rasch abgesertigt wird. Auf die individuellen Ver-
hältnisse, namentlich der östlichen Provinzen, ist besonders Rücksicht zu nehmen. Wenn dies
in bezug auf die Landwirtschaft im 8 2 geschehen ist, so soll das keine Bevorzugung eines
bestimmten Standes bedeuten. Sehr wichtig ist auch die rechtliche Stellung der zum vater-
ländischen Hilfsdienst Einzuberusenden. Es ist zu erwägen, ob ihnen nicht ein ähnlicher
Rechtsschutz zu gewähren ist, wie den zum Kriegsdienst Eingezogenen.
Staastsekrelär d. J. Dr. Helfserich: M. H.1 Ich möchte auf verschiedene Punkte,
die in der bisherigen Diskussion berührt worden sind, ganz kurz eingehen.
Zunächst muß ich an eine Bemerkung des Herrn Abg. Schiffer anknüpsen. Er hat,
wenn ich ihn recht verstanden habe, die Melnung ausgesprochen, daß die verbündeten Re-
gierungen dem gemeinschaftlichen Anlrage der Fraklionen, wie er jetzt vorliegt, bereits
zugestimmt hälten. Das ist nicht der Fall und kann auch nicht der Fall sein. Ich kann die
Zustimmung der verbündelen Regierungen zu diesem Antrage, der ja erst heute vormittag
verleilt worden ist, unmöglich bereits in der Tasche haben.
Im übrigen darf ich bei dieser Gelegenheit doch auf eines hinweisen. Ich habe in der
Kommission wiederholt ausgeführt, daß in bezug auf Rechtsgarantien und Interessen-
schutz die verbündeten Regierungen von allem Anfang an bereit gewesen sind, die Kon-
sequenzen zu ziehen, die sich aus den Eingriffen des Gesetzes in die persönliche Freiheit und
in die wirtschaftlichen Verhälinisse der einzelnen ergeben. Die wichtigsten Punkte in dieser
Beziehung sind erstens die Zuweisung zur Arbeil und zweitens die Erschwerung des Arbeits-
wechsels. Das sind die Punkte, In denen die Vorlage am stärksten eingreift. Für beide Fälle
waren in den Richtlinien, die ja in diesem Antrage in dieses Gesetz hineingearbeitet sind,
Beschwerdeinstanzen vorgesehen, die auch im wesentlichen so zusammengesetzt waren, wie
es jeyt die Anträge hier in Vorschlag bringen. Aber ich muß doch darauf aufmerksam machen:
die Anträge gehen über diese beiden Punkte recht erheblich hinaus, und zwar namentlich
in folgendem:
erstens in der Einsetzung der Arbeilerausschüsse, die für sämtliche Betriebe
obligatorisch gemacht werden sollen,
zweitens in der Einführung der Schiedsstellen.
Das sind die beiden Punkte, in denen die vorliegenden Anträge ganz wesentliche
Modifikalionen des bestehenden Zustandes einführen, Modifikationen, die bisher, namenl-
lich auch in den interessierten Kreisen, stark umstritten waren, gegen die bisher starke Wider-
Güthe u. Schlegelberger, Kriegsbuch. Hd. 3. 55