Full text: Kriegsbuch. Fünfter Band. (5)

Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst vom 5. Dezember 1916. 867 
doch aus zahlreichen Betrieben fortgesetzt Arbeitsträste herausgenommen werden. Ein- 
zelne Industrien und Gewerbezweige werden ja ganz besonders getroffen werden. De 
facto wird es da zu Stillegungen, zu Zusammenlegungen und ähnlichen Maßnahmen 
in größerem Umfang als bisher kommen. Ich habe gestern schon gesagt, daß wir in diesem 
Punkie den Weg der freihändigen Vereinbarung mit den Interessenten, soweit irgend- 
wig möglich, betreten wollen. Das Kriegsamt wird in der Lage sein, diese freihändige 
Verständigung in größtem Umfang herbeizuführen. 
Sodann ist die andere wichtige Frage, die Frage der Entschädigung, erörtert 
worden. Wenn nun z. B. in der Texlilindustrie Aufträge, die heute auf eine große Anzahl 
von Betrieben verteilt werden, im Einvernehmen mit den betreffenden Interessenten, die 
heute diese Aufträge haben und die zum Teil von diesen Aufträgen nicht leben und sterben 
können, an einen einzelnen Betrieb übertragen werden, so liegt doch nichts näher, als daß 
siber die Frage, wer die Aufträge bekommen soll, und wie die anderen, die keine Aufträge 
bekommen, abgesunden werden sollen, eine freihändige Verständigung Platz greift. 
Das wird gewiß nicht überall möglich sein, namentlich nicht in den unteren Schichten der 
Wirlschaft, bei den kleinen Gewerbetreibenden und Handwerkern. Aber da können Sie 
sich an das halten, was gestern der Herr General Groener und ich ausgeführt haben, daß 
nicht beabsichtigt ist, alles auf den Kopf zu stellen. Das Kriegsamt wird den einzelnen Fall 
ansehen und da, wo der Schaden, der durch die Stillegung oder Herausholung verursacht 
wird, den Vorteil überwiegt, auf die Arbeitskraft lieber verzichten. Wir wollen uns ja die 
großen Reservoire für die Arbeitskräfte erschließen und wollen uns nicht mehr als irgend 
nötig an die Ueinen Existenzen halten. 
Bezüglich der Entschädigungsfrage möchte ich auch hier die Bitte aussprechen, wie 
ich das in der Kommisslon schon getan habe, die Entschädigungsfrage mil großer Vorsicht 
zu behandeln. Ich verstehe durchaus den Gedanken, daß es billig erscheint, einen Ausgleich 
zu suchen dafür, daß durch dieses Gesetz auf der einen Seite durch die Entziehung von Arbeits- 
träften Betriebe geschädigt werden und auf der anderen Seile durch die Zuführung dieser 
selben Arbeitskräfte andere Betriebe einen Vorteil haben. Aber, m. H., wir solllen uns 
hüten, im Bestreben nach diesem Ausglelch, im Streben nach dieser Gerechtigkeit zur größten 
Ungerechligkeit zu kommen. Ich verweise auf die Parallele, die hier besteht, zwischen der 
Wehrpflicht auf der einen Seite und der Hilfsdienstpflicht, die wir durch dieses Gesetz ein- 
führen, auf der anderen Seite. Durch die Wehrpflicht ist mancher aus seinem Berufe 
herausgerissen worden, mancher hal seinen Beruf aufgeben und einstellen müssen, und in 
sehr zahreichen Fällen hat der Konkurrent, der nicht wehrpflichtig ist, den Vorleil davon 
gehabt. Der Mamn, der der Wehrpflicht unterliegt, sieht draußen vor dem Feinde, setzt 
sein Leben aufs Spiel, hat vielleicht sein Leben verloren, so baß die Familie im Elend 
zurückgeblieben ist. Dieser Mann oder seine Familie ist schwer geschädigt, und gleichwohl 
besteht eine Entschädigungs pflicht hier bis heute nicht. 
Nehmen Sie nun diesen Mann und auf der anderen Seile jemand, der auf Grund 
des Gesetzes, das wir jetzt schaffen, aus seinem Beruf herausgeholt wird und genau dieselbe 
Schädigung erfährt wie der Wehrpflichtge, der aber nicht vor den Feind gestellt wird, 
sondern vielleicht in der Schreibstube sitzt, wo es nich! kalt ist wie im Schützengraben, sondern 
behaglich warm, der nicht einfach die Löhnung eines Soldaten bekommt, sondern ein an- 
ständiges Gehalt bezieht, — entspricht es da der Gerechtigkeit und Billigkeit, daß derjenige 
eine Entschädigung bekommt, der zwar nach dem Gesetz über die Hilfsspflicht herangezogen 
wird, aber doch so viel besser dran ist als der andere, der durch das Gesetz über die Wehr- 
pflicht herangezogen wird und in den Schützengraben kommt, ohne daß ihm ein Recht 
auf Entschädigung zusteht? Glauben Sie, daß man das im Volke verstehen würde? Ich 
halte das für ausgeschlossen. Ich glaube, in diesem Punkte werden wir sehr vorsichtig sein 
müssen. Die Sache muß genau durchdacht werden und kann jedenfalls, wie ich glaube, 
nicht im Rahmen dieses Gesetzes entschieden werden. 
Ich sehe überhaupt die Möglichkeit eines Ausgleichs, die Möglichkelt, dem be- 
rechtigten Volksempfinden Rechnung zu tragen, mehr nach der anderen Seite hin. Es 
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