Full text: Kriegsbuch. Fünfter Band. (5)

874 M. Vaterländischer Hilfsdienst. 
unsere gemeinschaftliche Absicht durch die Aufnahme des neuen Paragraphen im Geset 
gefährdet. Ich weiß auch nicht, wenn Sie auf dem Boden dieser Meinung siehen daß 
nichts geändert wird an dem Rechtszustand, wie etwa ein Druck durch diesen Paragraphen 
anders ausgeübt werden könnte als auf moralischem Wege. Darin sind wir einig. Aber 
Herr Abg. Becker, Sie wissen doch auch genau so wie die Herren da drüben (links), in welcher 
Weise die Regierung im bisherigen Verlauf des Krieges — und ich darf wohl sagen in ge. 
steigertem Maße — mit den Gewerkschaften zusammengearbeilet hat. Ich glaube also 
der Verdachl, daß die Reichsleitung und die verbündeten Regierungen — ich glaube, er lieg! 
Ihnen fern, aber er besteht leider Gottes noch anderswo —, als ob wir an der Zugehörig- 
keit irgendwelcher Arbeiler an irgendwelchen Gewerkschaften Anstoß nehmen könnten 
ist doch durch die bisherige Praxis im Laufe dieses Krieges beseitigt worden. Und wenn 
meine Erklärung durch das ergänzt worden ist, was Herr General Groener hier gesagt hat 
so sollten wir, meine ich, doch über diesen Punkt einverstanden sein. * 
Abg. Dr. Müller-Meiningen (fortschr. Volksp.): Wir haben mit dem Vereins- und 
Versammlungsrecht sehr schlechte Ersahrungen gemacht. Sie dürfen sich über unser Miß. 
trauen nicht wundern. Gewiß haben wir zu dem Generalleulnant Groener alles Ver 
trauen, aber wir wissen nicht, wer morgen an seiner Stelle steht. Wir werden für den §3132 
stimmen. 
Abg. Dr. David (Soz.): Der gule Wille hört auf, wo die Macht der Herren in der 
Regierung aufhörl. Darum ist es notwendig, durch das Gesetz einen moralischen Deuck 
auszullben. 
Staatssekretär d. J. Dr. Helfferich: Ich habe doch den Eindruck, daß über die Sache 
noch nicht hinreichend Klarheit besteht. Entweder ist der Paragraph, der hier besteht, ein 
moralischer Paragraph oder ein juristischer Paragraph. Wenn er ein juristischer Paragraph 
ist, dann schafft er neues Rechl; wenn er ein moralischer Paragraph ist, soll er altem, be- 
stehendem Rechie zur Geltung verhelfen. Der Herr Abg. Becker ist der Ansicht, daß es ein 
moralischer Paragraph ist; der Herr Abg. Dr. David ist der Ansicht, daß es ein juristischer 
Paragraph ist. Ich bin auch der Ansich!, daß, wenn Sie das in das Gesetz hineinschreiben, 
es ein juristischer Paragraph ist und daß mindestens die Frage sehr zweiselhaft ist, ob die 
Gerichte den Paragraphen nicht so auslegen, wie ich das vorhin ausführte, ob die Gerichte 
nicht entscheiden: nach dem Vereinsgesegz#hat jeder Deutsche das Recht, Vereine zu bilden 
und Vereinen beizutreten. Ein Verein, der das Streikrecht auf seine Fahne schreibt, 
ist ein Verein, dem jeder Deutsche beitreten kann. Die preußische Eisenbahnverwallung 
und die anderen Eisenbahnverwallungen haben bisher erklärt, daß sie Leute nicht dauernd 
anstellen können, die Vereinen angehören, die auf das Streikrecht nicht verzichlet haben. 
(Zuruf von den Soz.) — Es ist das nicht nur bei der preußischen Eisenbahnverwaltung, 
sondern es ist bei den anderen genau ebenso, auch in Süddeutschland. 
Ich sage also, ich habe die Befürchtung, daß die Auslegung möglich ist, sogar wahr- 
scheinlich ist, nach der durch diesen Paragraphen der Eisenbahnverwallung das Festhallen 
an der bisherigen Praxis unmöglich gemacht wird. Wenn diese Gefahr besteht, und wenn 
die Herren nich! die Absicht haben, ein neues Recht zu schaffen, so scheint es mir doch nur 
konsequent zu sein, daß Sie den Paragraphen ablehnen. Andernfalls bringen Sie in cinem 
so wichtigen Punkte eine Unklarheit in das Ges. hinein. Ich glaube, das ist elwas, was nicht 
so ohne weileres verantwortet werden kann. Ich möchte also dringend bitten, den & 13a 
abzulehnen. 
Abg. Dr. Müller-Meiningen (fortschr. Volksp.): Mit dem Streikrecht hal der 
Paragraph nichts zu tun. Er handelt nur vom Vereins- und Versammlungsrecht. Es 
soll hier nur über das Vereins- und Versammlungsrecht Klarheit geschaffen werden. So- 
lange die Regierung nicht klar ausspricht, daß das Vereins- und Versammlungsrecht durch 
das Disziplinarrecht nicht durchbrochen werden darf, kann auf diesen Paragraphen nicht 
verzichlel werden. 
Abg. Dr. Stresemann (nl.): Die Befürchtung des Staatssekretärs ist doch nur eine 
theoretische. Die Arbeiterführer haben erklärt, daß die Eisenbahnerorganisationen auf das
	        
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